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Bundesamt für Naturschutz

Delphinus delphis - Gewöhnlicher Delfin

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1350
Artengruppierung
Sonstige Säugetiere
Status Rote Liste Europa
(Braulik, G. et al. 2020): LC (Nicht gefährdet)

Beschreibung

Der nicht mehr gewöhnliche Delfin

Seit der Antike gilt der Gewöhnliche oder Gemeine Delfin als Urtyp der Delfine, doch nehmen seine Bestände im Mittelmeer und im Nordost-Atlantik ab. Er lebt fast ausschließlich in kleineren oder größeren Gruppen und bevorzugt wärmeres Wasser. In deutschen Gewässern taucht der Gewöhnliche Delfin deshalb erst im Sommer oder Herbst auf, oft auch im Gefolge von wandernden Warmwasser-Fischarten (z.B. Sardinen). In der deutschen Ostsee erregen in den letzten Jahren kleine Gruppen von meist weniger als zehn Tieren Aufmerksamkeit, wenn sie in Förden und Buchten auftauchen und dort z. T. längere Zeit verweilen.

Ökologie der Art

Der Gewöhnliche Delfin ist sehr sozial und lebt in mehr oder weniger großen Gruppen. Die Größe der Gruppen scheint u.a. von der zur Verfügung stehenden Nahrung abzuhängen und mit der Entfernung von der Küste zuzunehmen. So können auf hoher See teilweise Gruppen von vielen hundert oder gar mehreren tausend Gewöhnlichen Delfinen beobachtet werden. Als Hauptbeutefischarten gelten Sardine und Sardelle aber auch Sandaal, Makrele, Stöker, Wittling, Hering und Stintdorsch. In Tiefwassergebieten können auch vertikal wandernde Laternenfische (Notoscopelus kroyeri) und Cephalopoden (Tintenfischverwandte) die Hauptnahrung stellen (Silva 1999, Pusineri et al. 2007), welche nachts mit der Zooplanktonschicht in Oberflächennähe kommen. Dann müssen die Gewöhnlichen Delfine nur 30-100 m tief nach ihnen tauchen, obwohl sie auch bis zu 260 m tief tauchen können (Evans 1994, Perrin 2009). In gemäßigten Breiten legen Gewöhnliche Delfine regelmäßig saisonale Wanderungen zurück, wenn sie ihren Beutearten in wärmere Gewässer folgen (Bräger & Schneider 1998, Neumann 2001).

Lebensraum

Der Gewöhnliche Delfin kommt in weiten Teilen des tropischen und gemäßigten Atlantiks und Pazifiks vor. Im östlichen tropischen Pazifik (ETP) ist er hauptsächlich als Hochseedelfin bekannt, wo er in riesigen Gruppen mit bis zu über 10.000 Tieren vorkommt. Dort ernährt er sich hauptsächlich von vertikal wandernden Fischarten, die mit der Planktonschicht („deep scattering layer“) nachts an die Oberfläche kommen. Viele Populationen unternehmen saisonale Wanderungen und folgen dabei warmen Meeresströmungen. Diese bringen auch immer wieder –meist im Sommer– Gewöhnliche Delfine in deutsche Gewässer. Im Nordost-Atlantik nutzt die Art eine Vielzahl von Lebensräumen von küstennahen Flachwasserbereichen über die Schelfkante des Kontinentalsockels bis zu ozeanischen Tiefwassergebieten, wobei Besonderheiten in der Unterwasser-Topografie mit ausgeprägtem Relief eine besondere Bedeutung haben (Selzer & Payne 1988, Evans 1994, Weir et al. 2009).

Fortpflanzung/Biologie

Durch die eingehende Untersuchung von Beifangopfer ist viel über den Lebenszyklus der im Nordost-Atlantik lebenden Gewöhnlichen Delfine bekannt (Murphy et al. 2009): Sie werden meist mit 8-9 Jahren (oder 188 cm Körperlänge) geschlechtsreif. Danach gebären die Weibchen alle 3-4 Jahre ein einzelnes Kalb meist zwischen Mai und September. Die Tragezeit beträgt genau ein Jahr; das Kalb ist bei der Geburt 93 cm lang. Das bisher nachgewiesene Höchstalter für Gewöhnliche Delfine beträgt 29 Jahre. Menschliche Nutzungsaktivitäten im Meer können den Lebenszyklus des Gewöhnlichen Delfins in vielfältiger Weise beeinflussen, wobei sie meist die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen. Insbesondere die britische und französische Wolfsbarsch-Fischerei zwischen Irland und der Biskaya führt jedes Jahr zu teilweise sehr hohen Beifängen. Darüber hinaus weisen beigefangene Tiere oft hohe Belastungen mit menschengemachten Umweltgiften auf.

Lokale Population

Die Herkunft der sommerlichen Gäste in der südlichen Nordsee ist unbekannt. Sie könnten dem Bestand entstammen, der im westlichen Ärmelkanal überwintert (Reid et al. 2003, Brereton et al. 2005, Van der Meij & Camphuysen 2006, De Boer et al. 2008). In Nord- und Ostsee sind jedenfalls keine eigenständigen lokalen Populationen bekannt. Vermutlich bildet der gesamte Bestand des (östlichen) Nordatlantiks eine einzige Population (Evans & Teilmann 2009).

Die Gewöhnlichen Delfine im Schwarzen Meer bilden einen isolierten Bestand und sind als eigenständige Unterart, Delphinus delphis ponticus, anerkannt.

Erst vor einigen Jahren wurde der Langschnäuzige Gewöhnliche Delfin als eigenständige Art, Delphinus capensis, abgespalten, die in küstennahen Zonen Afrikas, Asiens und Nord- und Südamerikas vorkommt.

Gefährdung

Der Gewöhnliche Delfin ist hauptsächlich durch Ersticken in Fischereigeschirr (Beifang) und durch schleichende Vergiftung gefährdet.

Fischereiwirtschaft

  • Im östlichen tropischen Pazifik (ETP) vergesellschaften sich Thunfische oft mit großen Delfingruppen, was dazu führte, dass Fischer ihre Ringwaden um Delfingruppen zusammenzogen und jährlich im ETP bis zu einer Viertelmillion Delfine als Beifang umkamen. Die US-Gesetzgebung verlangt heute eine Schonung der Delfinbestände („dolphin-friendly tuna“), so dass nur noch wenige tausend Delfine jährlich beim Thunfischfang als Beifang sterben. Dennoch zeigen die dortigen Delfinbestände bisher keine Erholung, wofür zunehmend nicht-tödliche Effekte wie die (Zer-)Störung der Mutter-Kalb-Bindung verantwortlich gemacht werden. Eine solche Fischerei gibt es in Europa nicht, da die Vergesellschaftung von Thunfischen und Delfinen nur im Pazifik vorkommt.
  • In europäischen Gewässern, insbesondere zwischen Irland und der Biskaya, werden Gewöhnliche Delfine stattdessen in den riesigen Schleppnetzen der Wolfsbarschfischerei jährlich zu Hunderten oder gar Tausenden beigefangen. Der Beifang wird teilweise mit Hilfe des Einsatzes akustischer Scheuchgeräte vermieden (Berrow et al. 2008).

Sonstige

  • Die Einleitung von Schwermetallen und kaum abbaubaren organischen Giften führen zu einer ständig anwachsenden Anreicherung von Quecksilber und Polychlorierten Biphenylen (PCB), z.B. im Fettgewebe der Gewöhnlichen Delfine (Stein et al. 2003, Tornero et al. 2006). Dabei wird u.a. auch regelmäßig der Grenzwert von 17 µg ΣPCB / g Leberfett überschritten, der bei Meeressäugern nachweislich zu Problemen bei der Fortpflanzung führt (Kannan et al. 2000).
  • Da der Gewöhnliche Delfin eine wärmeliebende Art ist, könnte es im Zuge der globalen Klimaerwärmung zu einer Arealausbreitung dieser Art nach Nordosten kommen. Schon heute werden derartige Entwicklungen im Ärmelkanal und in Nordost-Schottland diskutiert (Macleod et al. 2009, Robinson et al. 2010). Ob eine solche Ausbreitung für den Gewöhnlichen Delfin insgesamt vorteilhaft sein wird, muss sich erst noch zeigen.
  • Wie alle Zahnwale verfügt der Gewöhnliche Delfin über hervorragende Fähigkeiten der Echoortung und über ein hochsensibles Gehör, auf welches er u.a. zur Jagd und zum Überleben angewiesen ist. Daher reagiert er empfindlich auf Unterwasserlärm, z.B. von seismischen Erkundungen (Air-guns) und anderem Industrielärm (wie z.B. Rammschall) sowie vermutlich auch auf starke Militär-Sonare und Schiffslärm.

Erhaltungsmaßnahmen

  • Produktions- und Anwendungsverbot bekannter Umweltgifte (z.B. PCB) sowie Verhinderung der Emission neuer bioakkumulierender Gifte, wie z.B. bromierte Flammschutzmittel (HBCD).
  • Einträge von langlebigen Giften, wie z.B. halogenierten Kohlenwasserstoffen oder Schwermetallen, sind in jedem Fall völlig zu vermeiden.

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

Es gibt in Deutschland weder einen Managementplan für diese Art noch Finanzierungsmöglichkeiten für die Umsetzung von Maßnahmen.

Literaturhinweise

  • Bearzi G., Notarbartolo di Sciara G., Reeves R. R., Cañadas A. & Frantzis A. (2004): Conservation Plan for short-beaked common dolphins in the Mediterranean Sea.
    ACCOBAMS, Agreement on the Conservation of Cetaceans of the Black Sea, Mediterranean Sea and Contiguous Atlantic Area. 90 S.
  • Suisted, R. & Neale, D. (2004): Department of Conservation Marine Mammal Action Plan for 2005–2010.
    NZ Department of Conservation, Wellington, New Zealand. 89 S.
  • Es gibt in der EU außerhalb des Mittelmeeres keine Artenhilfsprogramme für den Gewöhnlichen Delfin (lediglich den pauschalen Kleinwalschutz durch ASCOBANS).

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Bundesamt für Naturschutz
Fachgebiet für Meeresschutz
Außenstelle Insel Vilm
18581 Putbus/Rügen

ASCOBANS-Sekretariat
UN Campus
Hermann-Ehlers-Str. 10
53113 Bonn

Deutsches Meeresmuseum
Katharinenberg 14-20
18439 Stralsund

Autor

Dr. Stefan Bräger

Unter Mitarbeit von

Karola Szeder

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