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Bundesamt für Naturschutz

Cricetus cricetus - Feldhamster

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1339
Artengruppierung
Sonstige Säugetiere
Status Rote Liste Deutschland
(Meinig et al. 2020): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Banaszek et al. 2020): CR (Vom Aussterben bedroht)
Verantwortlichkeit
(Meinig et al. 2020): In besonders hohem Maße für die weltweite Erhaltung der Art verantwortlich

Beschreibung

Sinnbild der Vorsorge durch Vorratshaltung

Der Feldhamster ist fast jedem bekannt, wenn auch nur wegen seiner sprichwörtlichen Vorratshaltung, dem Hamstern. In Deutschland leben Feldhamster fast ausschließlich im Flachland, bevorzugt in fruchtbaren Ackergebieten. Das sind auch die Landschaften, die vom Menschen bereits seit langer Zeit besonders intensiv genutzt werden. Lange Zeit wurde der Feldhamster als Schädling angesehen und vom Menschen bekämpft, weil den Bauern durch Fraßschäden und das Eintragen seiner Wintervorräte ein nicht unerheblicher Teil der Ernte verloren gehen konnte. Inzwischen ist der Feldhamster vom Aussterben bedroht, weil sich die Anbaumethoden in der Landwirtschaft und das Tempo der Bearbeitung drastisch verändert haben, so dass für den Feldhamster fast nichts mehr übrig bleibt. Trotz gesetzlichem Schutz sind die Feldhamsterbestände in Deutschland während der letzten 50 Jahre stark zurückgegangen.

Der Feldhamster tritt in Deutschland hauptsächlich im Tiefland in Bereichen tiefer fruchtbarer Böden auf (Bördelandschaften). Auch bevor die Bestände der Art stark zurückgingen besiedelten Hamster kein geschlossenes Verbreitungsgebiet, sondern waren in ihrem Vorkommen auf offene, überwiegend zum Getreideanbau genutzte Landschaften beschränkt. Feldhamster bevorzugen als Nahrung grüne Pflanzenteile. Die Tiere ernähren sich von Kulturpflanzen, wie Getreide, Mais, Zuckerrüben und Erbsen, auch Ackerwildkräuter liefern einen wichtigen Beitrag (Petzsch 1949). Daneben werden auch kleinere Tiere gefressen. Auf der Speisekarte des Hamsters stehen Schnecken, verschiedene Insektenarten, aber auch Frösche, Eidechsen, Nestlinge von Bodenbrütern und Jungtiere kleiner Nagetierarten (Niethammer 1982). Ein abwechslungsreiches Angebot an tierischer Nahrung und verschiedenen Kräutern ist wichtig für eine erfolgreiche Fortpflanzung.

Feldhamster graben sich ihre Baue selbst. Die dabei bewegten Erdmassen können beträchtlich sein, bis 300 kg wurden an einem einzelnen Bau festgestellt (Grulich 1981). Während die Sommerbauten meist weniger als 1 Meter tief angelegt werden und häufig mehrere Ein- und Ausgänge aufweisen, sind die Winterbauten tiefer als 1 Meter und meist weniger verzweigt. Neben einer Schlafkammer sind die Bauten mit Vorrats- und Kotkammern ausgestattet (Grulich 1981). Feldhamster wechseln ihren Bau während des Jahres häufig. Die Weibchen beziehen durchschnittlich nach 27 Tagen einen neuen Bau, die Männchen nach 8 Tagen (Weinhold & Kayser 2006). Zwischen nacheinander genutzten Bauten liegen bei den Männchen durchschnittlich 100 m, bei den Weibchen nur 35 m.

Die maximale Lebenserwartung des Feldhamsters liegt bei ca. 4 Jahren, sowohl im Freiland als auch in Gefangenschaft (Niethammer 1982). Ein solches Alter wird aber unter Freilandbedingungen nur selten erreicht, meist werden die Tiere nur ein Jahr alt, nach spätestens 2 Jahren ist die Hamsterpopulation eines Gebietes vollständig ausgewechselt (Weinhold & Kayser 2006).

Lebensraum

Neben der Verfügbarkeit von Futter ist die wesentlichste Anforderung des Feldhamsters an seinen Lebensraum die Bodenqualität. Er benötigt tiefgründige, gut grabbare Böden (oft Löß) mit einem Grundwasserspiegel deutlich unter 1,20 m für die Anlage seiner bis zu 2 m tiefen Baue. Auch sonst bevorzugt der Hamster eher niederschlagsarme Lebensräume. Nur in schweren Böden lassen sich dauerhafte Bauten und Gangsysteme anlegen (z.B. Weinhold & Kayser 2006). In vom Feldhamster besiedelten Ackerbaugebieten suchen die Tiere auch manchmal angrenzende Gärten auf.

Fortpflanzung/Biologie

Feldhamster sind Einzelgänger. Jedes erwachsene Tier hat einen eigenen Bau. Die Männchen markieren die Umgebung ihres Baus sowie auch die Umgebung der Bauten von in der näheren Umgebung lebenden Weibchen. Männchenreviere überlappen sich nicht, Überlappungen treten aber mit Weibchenrevieren mit bis zu über 50% auf. Feldhamster sind Winterschläfer. Die Dauer des Winterschlafs hängt vom Klima des jeweiligen Landschaftsraumes und dem aktuellen Witterungsverlauf ab. Die ersten Tiere (meist Männchen) können bereits Mitte August mit der Überwinterung beginnen, die letzten Tiere (meist Jungtiere des Jahres) ziehen sich erst im November zurück. Im Frühjahr werden die ersten Feldhamster im März beobachtet, die letzten Tiere erscheinen erst Ende Mai (Weinhold & Kayser 2006). Nach dem Aufwachen beginnt bei den Feldhamstern die Fortpflanzungszeit. Nach durchschnittlich 20 Tagen Tragzeit werden die Jungen geboren. In Mitteleuropa ziehen Hamsterweibchen i.d.R zwei Würfe mit durchschnittlich 6-10 Jungen zwischen April und August auf. Die Anzahl der durchschnittlich je Wurf geborenen Jungtiere ist während der letzten Jahrzehnte zurück gegangen (z.B. Kayser & Stubbe 2003), ohne dass hierfür Gründe bekannt wären. Die Jungen werden drei Wochen lang gesäugt und sind dann selbständig. Meist verlässt das Muttertier dann die Jungen in ihrem Wurfbau und sucht sich einen leeren Bau oder legt einen neuen an (Weinhold & Kayser 2006). Die Jungtiere nehmen i.d.R. erst im Folgejahr selbst an der Fortpflanzung teil.

Mit dem sprichwörtlichen „Hamstern“, d.h. der Anlage von Nahrungsvorräten für den Winter beginnt der Hamster erst nach dem Ende der Fortpflanzungsperiode. Für Männchen beginnt die Zeit des Sammelns ab Juli, für die Weibchen meist erst im August, nachdem die letzten Jungtiere selbständig geworden sind (Weinhold & Kayser 2006).

Hauptsächlich durch Winterverluste bedingt lebt im Frühjahr meist weniger als ein Hamster je Hektar. Im August kann die mittlere Dichte bei ca. 3,6 Tieren/ha liegen (Boye & Weinhold 2004). Früher wurden in guten Hamstergebieten nach günstigem Witterungsverlauf Herbstbestände von bis zu 800 Individuen/ha festgestellt (Niethammer 1982). Solche Massenvermehrungen treten heute aber bedingt durch die stark veränderte Landnutzung nicht mehr in Westeuropa auf.

Die bedeutendste Gefährdungsursache für den Feldhamster ist die moderne Landwirtschaft mit einer im Verhältnis zu früher beschleunigten Fruchtfolge. Ebenso negativ wirken sich Tiefpflügen und der Einsatz von Bioziden aus (Weinhold & Kayser 2006). Durch die heutigen Erntemaschinen bleibt für den Hamster nahezu kein Futter mehr übrig, das er als Wintervorrat ansammeln könnte. Die Intensität heutiger Erntemethoden führt außerdem dazu, dass die Tiere nach der Ernte nahezu keine Deckung mehr finden, in der sie sich geschützt vor Beutegreifern bewegen können. Der starke Rückgang des Feldhamsters während der letzten 50 Jahre ist für viele Bundesländer gut dokumentiert (z.B. Hutterer & Geiger-Roswora 1997, Stubbe et al. 1997).

Lokale Population

Für den Feldhamster wird die lokale Population spezifisch über die Vorkommenssituation im jeweiligen Landschaftsraum definiert. Bedeutend ist zunächst das Vorhandensein landwirtschaftlich genutzter fruchtbarer, tiefer Böden. Zwar nutzen Feldhamster ihren Lebensraum meist nur kleinräumig (mittlerer Aktionsraum: Männchen 1-2 ha, Weibchen 0,1-0,4 ha, aus Weinhold & Kayser 2006), jedoch müssen für die langfristige Sicherung von Feldhamster-Beständen bei Weitem größere Räume zur Verfügung stehen. Basierend auf Fang-Wiederfang- und Telemetriestudien, in denen individuell maximal zurückgelegte Entfernungen von bis zu 1 km (durchschnittlich 366 m) festgestellt wurden (Weinhold 2008, Weidling 1996, Weidling & Stubbe 1997, Kayser 2002), wird die lokale Population mit einem Radius von 500 m um den Bau bzw. die Baue abgegrenzt („dynamische Abgrenzung der lokalen Population“). Dies bedeutet, dass bei einer maximalen Entfernung von 1.000 m Ansiedlungen des Feldhamsters noch zu einer lokalen Population zählen, soweit nicht andere Barrieren (s.u.) ihre Ausdehnung beschränken. Durch diese Abgrenzung kann gewährleistet werden, dass abwandernde Jungtiere angrenzend an bestehende Ansiedlungen der Art i.d.R. freie, besiedelbare Flächen erreichen können. Da Feldhamster-Ansiedlungen in ihrer Verbreitung von der jeweils angebauten Feldfrucht abhängen, sollten nicht nur aktuelle Anzeichen einer Besiedlung berücksichtigt werden, sondern, falls vorhanden, auch Daten bis zu einem Alter von fünf Jahren herangezogen werden, um lokale Populationen abzugrenzen. In großräumigen, strukturell zusammenhängend geeigneten Lebensräumen wie in Ostdeutschland und Niedersachsen erfolgt die Abgrenzung außerdem entlang bestehender Barrieren wie Straßen (ab 3 Spuren insgesamt), Siedlungsräumen, geschlossenen Wäldern, Schienenwegen, Flüssen, Kanälen mit verspundeten Ufern und Wasserstraßen. In Bundesländern mit noch bestehenden flächigen Großpopulationen (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen), in denen einzelne Ansiedlungen der Art auch über weitere Entfernungen (bis zu 2 km) im Austausch stehen können, ist auch eine Abgrenzung der lokalen Population in Ausnahmefällen über administrative Grenzen (Landkreise) denkbar. In West- und Süddeutschland (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern) sind die Vorkommen so klein und durch Barrieren so stark zerteilt, dass jedes Vorkommen schon eine lokale Population darstellt.

Gefährdung

Der Feldhamster ist besonders durch den Verlust von Lebensräumen und durch nicht hamstergerechte Bewirtschaftungsweisen gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

  • Intensivierung der Landwirtschaft (höhere Bearbeitungsintensität und -häufigkeit, schnellere Arbeitsfolge, Vergrößerung der Schläge, Vorverlegung des Erntezeitraums, zu tiefes Pflügen)
  • Veränderung und Verarmung des Fruchtartenspektrums (Rückgang des Getreideanbaus zu Gunsten von Sonderkulturen und Hackfrüchten etc., großflächiger Anbau von Energiepflanzen (Mais, Raps etc.), Rückgang bzw. in einigen Bereichen Verschwinden mehrjähriger Feldfutterkulturen)
  • Bodenbearbeitung direkt nach der Ernte (erschwertes Eintragen von Wintervorräten für den Feldhamster, Sammeltrieb beginnt erst nach der Fortpflanzungszeit; erhöhter Jagddruck durch Fuchs, Marderartige, Tag- und Nachtgreifvögel und freilaufende Haustiere aufgrund fehlender Deckung am Boden)
  • Einsatz von Bioziden und Düngemitteln ohne Prüfung der Auswirkungen auf den Feldhamster, dadurch auch Verlust der Vielfalt an pflanzlicher und tierischer Nahrungsbasis
  • Flurbereinigung (Zerstörung von Böschungen und ungenutzten Kleinflächen)
  • Einsatz von Rodentiziden
  • Verlust von Hamsterlebensräumen z. B. durch Aufforstung

Sonstige

  • Verlust des Lebensraumes (z.B. Siedlungsbau, Bau von Gewerbegebieten, Industrieanlagen, Abgrabungen z.B. von Sand- und Kies)
  • Fragmentierung/Verinselung durch Verkehrswegebau
  • Prädationsdruck bei zeitweise mangelnder Deckung auf großflächigen Monokulturen und regional nur gering vorhandenem anderen Nahrungsangebot für Räuber (regional selektiver Prädationsdruck auf Feldhamster möglich)
  • Isolation von Teilpopulationen, kleine Vorkommen sind anfälliger für „zufälliges“ Aussterben

Erhaltungsmaßnahmen

  • Saat von Luzerne (insbesondere bei kleinen Vorkommen ist es anzustreben, dass jeweils ein Teilbereich mit Luzerne bestellt ist. Die Fläche sollte spätestens alle 5 Jahre gewechselt werden) und anderen mehrjährigen Feldfutterkulturen, die bewirtschaftet werden müssen
  • Förderung von Ökolandbau auf landwirtschaftlich besten Böden
  • Erstellung von Artenhilfsprogrammen in Bundesländern, in denen solche noch nicht erarbeitet wurden

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig – schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig – schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
  • Überblick über Agrarumweltmaßnahmen in Deutschland
  • Informationen zur hamstergerechten Bewirtschaftung von Äckern / Ackerrandstreifen in Nordrhein-Westfalen mit Hinweisen zu Förderungsmöglichkeiten

Projekte im Internet

  • Schutzkonzept für den Feldhamster im Raum Braunschweig (Niedersachsen)
  • Hamsterschutz-Projekt des Landes Nordrhein-Westfalen mit Hinweisen zu hamsterfreundlichen Bewirtschaftungsmethoden
  • Steckbriefe, Gutachten und Hilfskonzepte zu FFH-Arten (u. a. Feldhamster) in Hessen
  • Internetauftritt der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz (AGF)
  • Informationen des NABU Sachsen zum Feldhamster
  • Steckbrief Feldhamster mit Beschreibung der Art und ihrer Ökologie sowie Hinweisen zu Schutzmaßnahmen in Bayern

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Lutz Dalbeck
Biologische Station im Kreis Düren e.V.
Zerkaller Str. 5
52385 Nideggen

Dr. Anja Kayser
Reesdorfer Dorfstr. 7
14547 Beelitz

Ute Köhler
Oberdorf 76
53347 Alfter

Kerstin und Ubbo Mammen
Büro Ökotop
Philipp-Müller Str. 44/1
06110 Halle/Saale

Susanne Jokisch
Hessen Forst FENA
Europastr. 10-12
35394 Gießen

Dr. Ulrich Weinhold
Institut für Faunistik
Silberne Bergstr. 24
69253 Heiligkreuzsteinach

Autoren

Holger Meinig, Dr. Ulrich Weinhold, Dr. Lutz Dalbeck, Marco Zimmermann, Dr. Anja Kayser, Ute Köhler, Ubbo Mammen, Susanne Jokisch

Unter Mitarbeit von

Sven Büchner, Dietrich Dolch, Julia Eggermann, Malte Götz, Gesa Kluth, Jens Teubner, Manfred Trinzen, Tobias Wagner, Matthias Simon, Karola Gießelmann, Jörg Braun-Lüllemann, Prof. Dr. Jorge Encarnacao

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