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Bundesamt für Naturschutz

Clanga pomarina - Schreiadler

Geschützt nach
Anhang I Vogelschutzrichtlinie
Artengruppierung
Vögel
Status Rote Liste Deutschland
(Ryslavy et al. 2020): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Bird Life International, 2021): LC (Nicht gefährdet)

Beschreibung

Deutschlands kleinster und seltenster Adler

Schreiadler sind verhältnismäßig kleine Adler mit bussardartigem Kopf. Obwohl sie nur wenig größer als Mäusebussarde sind, kann man sie anhand ihrer auffälligen langen Handschwingenspitzen („Finger“) im Flug leicht als Adler erkennen. Die Gefiederfärbung ist überwiegend erdbraun. Verwechslungen kommen vor allem mit dem ähnlichen, aber in Deutschland nur als Ausnahmeerscheinung auftretenden Schelladler vor. Schreiadler weisen eine Flügelspannweite von ca. 146 cm bei den Männchen und ca. 160 cm bei den Weibchen auf (Mebs & Schmidt 2014). Ihre klangvollen, gereihten Rufe sind sehr typisch. Die Nahrung ist vielseitig und von den lokalen Möglichkeiten abhängig. Hauptbeute sind Kleinsäuger und Amphibien, die oft zu Fuß, aus kreisendem Suchflug oder vom Ansitz aus gejagt wird. Das Brutareal des Schreiadlers erstreckt sich von Ostdeutschland, Polen und dem Baltikum über Russland und die Ukraine südlich bis auf die Balkanhalbinsel. Darüber hinaus gibt es Vorkommen in der Türkei und im Kaukasus bis in den Nordwest-Iran. Bevorzugte Lebensräume in Mitteleuropa sind strukturreiche Landschaften mit Wäldern und einem hohen Grünlandanteil.

Verbreitung

Noch im 19. Jahrhundert waren Schreiadler in den ehemals waldreichen Niedermoorlandschaften des Nordwestdeutschen Tieflandes weit verbreitet. Westlich reichte die Verbreitung damals etwa bis zum Elbe-Weser-Dreieck. Im Bereich der Mittelgebirge brüteten Schreiadler seit jeher sehr selten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von Habitatzerstörung und direkter Verfolgung zu einem starken Rückgang. Auf niedrigem Niveau hielten sich die Bestände dann über Jahrzehnte relativ konstant, eventuell mit leichter Zunahme in den 1980er-Jahren. Mitte der 1990er-Jahre wurde ein Rückgang festgestellt, offenbar verbunden mit einem Arealverlust an der südlichen Verbreitungsgrenze. In Deutschland beschränkt sich die lückige Verbreitung des Schreiadlers heute ausschließlich auf das Nordostdeutsche Tiefland und reicht von der Mecklenburgischen Seenplatte bis in die Uckermark. Schwerpunktvorkommen bilden die Flusstäler von Recknitz, Barthe, Trebel und Peene sowie die Feldberger Seenlandschaft und die Region Schorfheide-Chorin.

Lebensraum

Brutgebiet

Schreiadler brüten in Deutschland vorwiegend in strukturreichen, störungsarmen Landschaften mit größeren, artenreichen Laub- und Mischwäldern sowie mosaikartig verteilten Feuchtgebieten und Kleingewässern. Wichtig sind gut ausgebildete, lange Randlinien zum angrenzenden Offenland. Letzteres sollte eine hohe Strukturvielfalt und einen Mindestanteil an Grünland aufweisen. Ideal sind extensiv genutzte Wiesen und Weiden mit hohen Kleinsäuger- und Amphibiendichten in der Nähe der Brutvorkommen. Eingehende Habitatuntersuchungen haben ergeben, dass die Ansprüche dieser Art sehr komplex sind und weitgehend unzerschnittene Gebiete mit geringer menschlicher Besiedlung bevorzugt werden.

Zugweg und Überwinterungsgebiet

Schreiadler sind ausgesprochene Langstreckenzieher, die zur Überwinterung in das östliche und südliche Afrika ziehen. Der überwiegende Teil der deutschen Brutvögel verlässt die Brutplätze in der ersten Septemberhälfte und wandert in südöstlicher Richtung über den östlichen Mittelmeerraum bzw. den Bosporus nach Nordost-Afrika und von dort durch das Niltal bis ins südliche Afrika (Mebs & Schmidt 2014). Ringfunde deuten darüber hinaus eine weitere Zugroute über Italien und Malta mit zentraler Mittelmeerüberquerung an, während Ergebnisse aus der Satellitentelemetrie auch einen südwestlichen Zugweg über Spanien und Gibraltar nach Afrika belegen. Die Überquerung größerer Wasserflächen wird gemieden. Als Überwinterungsgebiete deutscher Schreiadler konnten bislang das südöstliche Afrika bzw. Sambia, Simbabwe, Botswana, Mosambik und Südafrika identifiziert werden. Die Rückkehr der Schreiadler erfolgt im Frühjahr etwa auf gleicher Route wie im Herbst. Die deutschen Brutplätze werden vor allem im April besetzt (Südbeck et al. 2005).

Fortpflanzung/Biologie

Erst im 4. oder 5. Kalenderjahr erreichen Schreiadler die Geschlechtsreife. Sofort nach der Ankunft zeigen die Männchen ausgeprägtes Revier- und Balzverhalten. Typisches Balzverhalten sind Girlandenflüge, bei denen sich die Vögel mit angewinkelten Flügeln steil herabfallen lassen, um anschließend wieder aufzusteigen. Bereits wenige Tage nach Ankunft im Brutgebiet können Schreiadler zur Brut schreiten. Die Baumbrüter errichten ihre Horste vor allem in Eichen, Rotbuchen und Schwarzerlen. Schreiadler sind monogam und sehr reviertreu. Oft halten Paare lebenslang zusammen. Ihre Nester errichten Sie auf alten, hohen Bäumen. Während der gesamten Brutperiode wird der Horst immer wieder mit frischen grünen Zweigen ausgestattet. Pro Jahr findet eine Brut statt, Nachgelege sind selten. Die meist 2 Eier werden vorwiegend zwischen Ende April und Anfang Mai gelegt und 37-43 Tage allein durch das Weibchen bebrütet. Da die Bebrütung bereits ab dem ersten Ei erfolgt, schlüpfen die Jungvögel im Abstand mehrerer Tage. Das zuletzt geschlüpfte Junge wird vom älteren Geschwister stark unterdrückt und überlebt unter natürlichen Bedingungen nur sehr selten („Kainismus“). Die Nestlingsdauer beträgt im Mittel etwa 58 Tage. Die Nahrungsbeschaffung erfolgt anfangs durch das Männchen, im weiteren Verlauf der Brut durch beide Partner. Der Jungadler wird nach dem Ausfliegen noch über mehrere Wochen bis zum Abzug ins Winterquartier von den Altvögeln mit Nahrung versorgt (Mebs & Schmidt 2014).

Gefährdung

Zerstörung und Zerschneidung von Bruthabitaten gehört im gesamten Verbreitungsgebiet zu den Hauptgefährdungsursachen. Dazu zählen vor allem der Verlust von Altholzbeständen und die Entwässerung von Feuchtlebensräumen, ebenso wie landwirtschaftliche Intensivierungsmaßnahmen. Auch die Wiedernutzung ehemaliger Brachflächen, der Anbau von Energiepflanzen und der Grünlandumbruch sind problematisch. Der Gesamtlebensraum wird auch durch die Verbauung durch Windenergieanlagen eingeschränkt, die darüber hinaus zu direkten Kollisionsopfern führen. Das Mortalitätsrisiko des Schreiadlers an Windenergieanlagen wird als „äußerst hoch“ eingeschätzt (Langgemach & Dürr 2022). Jagd und Freizeitaktivitäten können zu Störungen in den Brut- und Nahrungsrevieren führen. Bis heute kommt es in den Durchzugsgebieten aufgrund illegaler Verfolgung außerdem zu erheblichen Verlusten.

Schutz

Die Vermeidung zusätzlicher Lebensraumzerschneidung und der Erhalt bevorzugter Waldstrukturen sowie der Schutz vor Störungen, u.a. durch Horstschutzzonen bzw. Waldschutzarealen, gehören zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen. Durch Rettung des zweitgeborenen Jungvogels kann darüber hinaus der Bruterfolg gesteigert werden. Für Windenergieanlagen sind Mindestabstände einzuhalten.

Autor*in

Texte: Christopher König

Datenbereitstellung: Bettina Gerlach

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