Artenvielfalt und Raum für Umweltbildung – Das Industriewaldprojekt im Ruhrgebiet
Artenvielfalt und Raum für Umweltbildung – Das Industriewaldprojekt im Ruhrgebiet
Worum geht es?
Neue Wildnis auf alten Flächen
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) wurde im Emscher Landschaftspark 1996 damit begonnen, die Entwicklung und Aufwertung der Industriebrachen im Ruhrgebiet zu planen. Zu den Zielen gehörten die Schaffung naturnaher Naherholungsflächen, die Bereitstellung sozialer und kultureller Räume für alle Altersgruppen sowie die Förderung und der Schutz der Artenvielfalt. Hierfür wurden ausgewählte Brachflächen weiter der Sukzession überlassen, die zielgerichtet den Weg Richtung Wald fand, der sich in seiner natürlichen Entwicklung frei entfalten sollte. Das fortan zuständige Regionalforstamt Ruhrgebiet der Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen greift hier lediglich punktuell ein, um die Sicherung ausgewiesener Waldwege oder häufigen Aufenthaltsorten von Kitagruppen zu gewährleisten beziehungsweise naturschutzfachlich bedeutsame Biotope zu pflegen. Ein ehemaliges Stromschalthaus wurde umgebaut, um als Arbeitsgebäude der Förster*innen zu dienen und den Besuchenden ein umfangreiches Informations- und Umweltbildungsangebot bereitzustellen. In einigen Teilflächen von Rheinelbe und Zollverein wurden darüber hinaus Skulpturen künstlerisch in die Waldlandschaft integriert. Durch die neue Zugänglichkeit des Gebiets konnte die Lebensqualität in den angrenzenden Wohngebieten gesteigert werden.
Biologische Vielfalt durch weniger Eingriffe
Da die Brachflächen einer natürlichen Sukzession unterliegen, kann durch die verschiedenen Entwicklungsstadien eine besonders hohe Diversität an Lebensräumen geboten werden. Hiervon profitieren sowohl lichtbedürftige Pionierarten als auch schattenverträgliche waldbesiedelnde Arten. Somit wird auf kleinstem Raum eine große Vielfalt an Habitatstrukturen sowie Pflanzen- und Tierarten gewährleistet. Dadurch, dass nur die nötigsten direkten Eingriffe stattfinden und auch Totholz im Wald verbleibt, werden natürliche Dynamiken zugelassen, die sich auf den gesamten Stoffkreislauf auswirken und die biologische Vielfalt fördern. In älteren Sukzessionsstadien ist das Artenspektrum im Wald wieder etwas geringer. Daher werden einige Flächen bewusst offengehalten. Insgesamt wirkt sich die Flächenaufwertung zu einer neuen „urbanen Wildnis“ positiv auf das lokale Klima aus und trägt zur natürlichen Wasser- und Kohlenstoffspeicherung, Kühlung und Staubfilterung der umliegenden Wohngebiete bei.
![Pflanzen und Wasser im Vordergrund, Haus und Bäume im Hintergrund](/sites/default/files/styles/sc_320_260/public/2024-03/rheinelbe_forststation.jpg?itok=NnyFYWAw)
Wie wurde es gemacht?
Neue Flächenausweisung als Handlungsgrundlage
Einschränkungen möglicher Konzepte für den regionalen Strukturwandel, insbesondere den Aufbau grüner Infrastruktur, bestanden vor allem durch die finanzielle Situation der Kommunen in Bezug auf die Planung, Umsetzung und weitere Pflege sowie durch die Altlasten der Brachflächen. Eine Lösung war die Ausweisung des Gebiets als Waldfläche mit dem Ziel, ein Waldmanagement zu etablieren. Dies lässt natürliche Entwicklungen zu und greift nur punktuell ein. Somit konnten die Kosten niedrig gehalten werden. Zugleich wurde sowohl für die Bevölkerung als auch für die Forschung ein bedeutender urban-industrieller Stadtwald geschaffen. Die Begehbarmachung der einst eingezäunten Flächen für die Bevölkerung zusammen mit den Umweltbildungsangeboten seitens der Forstverwaltung boten eine wichtige Basis für Akzeptanz, Vertrauen und Interesse der Öffentlichkeit. Durch die Ausweisung als Waldflächen gelang hier eine Entwicklung, die von der Dekade „Biologische Vielfalt“ der Vereinten Nationen ausgezeichnet wurde und als gelungenes Beispiel der Dekade „Ökosystem Wiederherstellung“ gilt.
Mit Kooperationen zu schneller Akzeptanz
Durch den geringen finanziellen Aufwand konnte das Projekt zügig umgesetzt werden. Der Planungs- und Pflegeaufwand der Flächen blieb von Beginn an relativ gering, da nur bei Bedarf eingegriffen wird und die Umweltbildung insgesamt im Fokus steht. Ein Monitoring auf wissenschaftlichen Versuchsflächen im Wald und dem Wald vorausgehenden Sukzessionsstadien dient einerseits der waldökologischen Begleitforschung, andererseits können die Forschungsergebnisse für Umweltbildungsangebote und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden. Sie geben Hinweise, an welchen Stellen lenkend eingegriffen werden soll. Maßgeblich unterstützt wurde das Projekt durch das damalige Umweltministerium sowie das Städtebauministerium Nordrhein-Westpfalen. Ein bedeutendes Element war der zu Projektbeginn mit dem Forstamt geschlossene Beförsterungsvertrag, der später durch einen Kooperationsvertrag der beiden tragenden Ministerien abgelöst wurde. Hierdurch wurde eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen ermöglicht. Die Betreuung des Projektes durch die Forstverwaltung sorgte für eine fachkundige Steuerung und Erhaltung des Industriewaldprojekts. Darüber hinaus trugen Sichtbarkeit und gute Vernetzung der Forstleute innerhalb der Stadtlandschaft zum Erfolg des Projektes bei. Es entstanden zudem Kooperationen mit benachbarten Kitas und Schulen, für die das Gebiet nun einen wichtigen Ort der Umweltbildung und Naturerfahrung darstellt.
Kontakt
Berkelstadt Coesfeld – Das Flussmotiv im Zentrum nachhaltiger Entwicklung
Berkelstadt Coesfeld – Das Flussmotiv im Zentrum nachhaltiger Entwicklung
Worum geht es?
Ökologische Aufwertung und ansprechende Gestaltung an innerstädtischen Flussläufen
Bis zum Jahr 2027 soll die Berkel die Kriterien der EU-Wasserrahmenrichtlinien erfüllen: ökologisch wertvoll, durchgängig und hochwassersicher. Um die unzureichende ökologische Qualität sowie Zugänglichkeit zum Fluss zu verbessern, wurden im Rahmen der Regionale 2016 die drei Flussläufe Umflut, Fegetasche und Innenstadtberkel in den Fokus gerückt. So wird mithilfe der Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen die Berkel als wichtiges Biotop anerkannt und ihr Umfeld als attraktiver Lebensraum weiterentwickelt. Die Fegetasche und die Umflut werden als „NaturBERKEL“ naturnah gestaltet, während die Innenstadtberkel unter dem Namen „UrbaneBERKEL“ durch neue Aufenthaltsmöglichkeiten und direkte Zugänge zum Wasser einen neuen Erlebnischarakter erhält.
Umsetzung von Teilprojekten zur Realisierung von Entwicklungs- und Aufwertungszielen
Das Projekt unterscheidet zwei Planungsabschnitte: die UrbaneBERKEL realisiert eine moderne städtebauliche Gestaltung. Neue Sitzmöglichkeiten entlang des Ufers, eine neue Treppenanlage, neumodellierte flache Ufer, ein themenspezifischer Wasserspielplatz, Möglichkeiten zur Flussquerung und ein barrierefreier Schlossparkrundweg dienen nun der Erholung und machen den Altverlauf der Berkel erlebbar. Im Projektabschnitt NaturBERKEL wurde die „Fegetasche“ durchgängig umgebaut und ökologisch aufgewertet. Der ehemalige Absturz der Fegetasche wurde in eine Sohlgleite umgebaut und Totholz gesichert in den Flusslauf eingebracht. Ein ehemaliges Wehr wurde zu einer Fischaufstiegsauflage umgebaut und attraktiv gestaltet. Zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes und als Strahlursprung soll ein naturnahes Hochwasserrückhaltebecken angelegt werden.
![Brücke über einem Fluss, daneben Wiesen mit Bäumen, Sitzelementen und Menschen](/sites/default/files/styles/sc_320_260/public/2023-12/230224_Larissa%20Bomkamp_Schlosspark_C-Stadt%20Coesfeld.jpg?itok=v_C15ryU)
Wie wurde es gemacht?
Interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche und Akteursgruppen
Die Stadt Coesfeld bemühte sich um eine ausdifferenzierte Förderkulisse, angepasst an die jeweiligen Ziele der Teilmaßnahmen: durch die Differenzierung von „NaturBERKEL“ und „UrbaneBERKEL“ konnten Maßnahmen zur Verbesserung der Resilienz und zur Anpassung an den Klimawandel ebenso verwirklicht werden wie die gestalterische Aufwertung im Innenstadtbereich. Das Projekt wurde durch zahlreiche Fachbereiche entwickelt, unter anderem das Abwasserwerk, die städtische Kulturabteilung und das Stadtmarketing. Begleitend zu den Teilprojekten fand eine intensive Öffentlichkeitsarbeit statt, durch die relevante Akteursgruppen frühzeitig in die Planung einbezogen werden konnten und Bürger*innen die Vorhaben in Veranstaltungen vermittelt wurden.
Regionale Kooperationen und proaktive Kommunikation der Entwicklungsziele
Die Stad Coesfeld hat die Herausforderungen des urbanen Wandels proaktiv adressiert und ein Gesamtkonzept entwickelt, in dem Maßnahmen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt und der Aufenthaltsqualität inbegriffen sind. Das Coesfelder Projekt steht mittlerweile für eine neue Kultur der Zusammenarbeit entlang der Berkel, die im Zuge des NRW-Strukturförderprogramms Regionale 2016 entstanden ist. Durch diese Zusammenarbeit entsteht ein großer Abstimmungsbedarf mit Verantwortlichen anderer Kommunen, Akteursgruppen und Projektträger*innen, der von der gegründeteten Berkel-Arbeitsgemeinschaft in fruchtbare, neue Kooperationen übertragen wurde. Für das Gelingen wurde das Konzept der BerkelSTADT offen an die Akteursgruppen kommuniziert und durch die Bürger*innen schnell angenommen.
Fördermix aus Mitteln der Kommune, des Landes und des Bundes
Die Maßnahmen wurden durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Coesfeld finanziert.