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Bundesamt für Naturschutz

Oxygastra curtisii - Gekielte Smaragdlibelle

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1041
Artengruppierung
Libellen
Synonyme
Gekielter Flussfalke
Status Rote Liste Deutschland
(Ott et al. 2015): R (Extrem selten)
Status Rote Liste Europa
(Kalkman et al. 2010): NT (Vorwarnliste)
Verantwortlichkeit
Bisher keine Bearbeitung

Beschreibung

Im Schutz dichter Wurzelgeflechte

Die Besiedlung von Fließgewässern stellt die Larven der Libellen – wie die der Gekielten Smaragdlibelle – vor einige Herausforderungen. Zum einen können sie von der Strömung fortgerissen und verdriftet werden, zum anderen sind viele – insbesondere beschattete – Fließgewässer durch eine ausgesprochen geringe Dichte der Unterwasserpflanzen gekennzeichnet. Hier fehlt es den Libellenlarven daher an Versteckmöglichkeiten vor Fraßfeinden wie Fischen oder Flusskrebsen. Dafür bieten beschattete Fließgewässer aber andere Möglichkeiten des Unterschlupfs: in den dichten Feinwurzelgeflechten der vom Wasser unterspülten Ufergehölze finden die Larven der Gekielten Smaragdlibelle nicht nur einen wirksamen Schutz vor Fraßfeinden, sondern sind auch vor Verdriftung durch die Strömung. Ein weiterer Vorteil der Besiedlung von Wurzelgeflechten bietet die höhere Nahrungsverfügbarkeit: hier leben oftmals mehr Eintagsfliegen- und Köcherfliegen-Larven als in anderen Substraten. So können sich die Larven der Gekielten Smaragdlibelle mit ihren relativ langen und beborsteten Beinen fest in den Feinwurzelgeflechten verankern und so Fischen, Flusskrebsen und auch größeren Hochwässern mit einer stärkeren Strömung trotzen, ohne auf einen reich gedeckten Tisch verzichten zu müssen.

Charakteristisch sind die grünen Augen und die länglichen gelben Flecken auf den Hinterleibsabschnitten.

Die Gekielte Smaragdlibelle besiedelt sowohl an dem einzigen Fließgewässer mit aktuell bekannten Vorkommen in Deutschland – der Our (Rheinland-Pfalz) – als auch in anderen Teilen ihres Verbreitungsgebietes strömungsberuhigte Abschnitte von Fließgewässern. Solche Lebensräume finden sich z.B. als Kolke oberhalb von Stromschnellen oder als Buchten. Es handelt sich dabei um Fließgewässer, die unter natürlichen Bedingungen eine charakteristische Abfolge flacher, schnell fließender Bereiche wie Stromschnellen (riffles) einerseits und meist tiefer, strömungsberuhigter Kolke (pools) andererseits aufweisen. Fachleute sprechen auch von einer so genannten „riffle-pool-Morphologie“.

An der aktuell bekannten Nordostgrenze ihres Verbreitungsgebietes – in Westdeutschland – besiedelt die Art mit der Our ein Fließgewässer in wärmebegünstigter Lage, die aus der Öffnung dieses Flusstals nach Süden zu den Flüssen Sauer und Mosel hin resultiert. Aufgrund der vergleichsweise hohen Wassertemperaturen bis 28°C im Hochsommer stufen Ott et al. (2007) das Gewässer als „Warmwasserfluss“ ein.

Die von den Larven besiedelten Abschnitte sind lückig mit Ufergehölzen bestanden und weisen eine meist mittlere Beschattung auf. Stark besonnte Bereiche werden nur selten genutzt. Die Wassertiefe reicht von einigen Dezimetern bis über 2 m. Lebensraum der Larven sind die dichten Geflechte und Vorhänge der im Wasser flutenden Feinwurzeln der Ufergehölze (v.a. Schwarz-Erle, seltener auch Weiden-Arten). Auch in anderen Teilen des Verbreitungsgebietes wie z.B. in Südfrankreich finden sich die Larven fast ausschließlich in solchen Lebensraumelementen (Leipelt & Suhling 2001).

Neben Fließgewässern besiedelt die Art gelegentlich auch Stillgewässer wie Seen und Kiesgruben (Wildermuth 2008).

Fraßfeinde der Larven dürften vor allem Fische sein, gegen die sie jedoch durch ihre Lebensweise in den dichten Wurzelgeflechten gut geschützt sind. Auch frisch abgelegte Eier werden von Fischen gefressen, wie Beobachtungen an der Our durch Ott (mündl. Mitteilung) belegen. Dieser Autor vermutet auch, dass eingeführte Kamberkrebse (Neozoen) Larven der Gekielten Smaragdlibelle fressen.

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel über Frankreich bis in den Süden der Niederlande, die Schweiz und Nordwest-Italien. Sie kommt außerdem in Marokko vor. In Deutschland existiert aktuell nur ein Vorkommen in der Our (Eifel) an der Grenze zu Luxemburg. Hauptlebensraum der Art sind langsam fließende Bäche und Kanäle.

Lebensraum

Lebensraum der Gekielten Smaragdlibelle sind strömungsberuhigte Abschnitte von Flüssen in wärmebegünstigter Lage. Hier leben die Larven überwiegend in den flutenden Wurzelgeflechten unterspülter Uferbäume – insbesondere der Schwarz-Erle.

Die untergetauchten Wurzelgeflechte dieser Schwarz-Erle sind Lebensraum der Larven der Gekielten Smaragdlibelle. Die untere Our – luxemburgisch-deutscher Grenzfluss, hier ein strömungsberuhigter Abschnitt – birgt das einzige aktuell bekannte Vorkommen in Deutschland.

Fortpflanzung/Biologie

Die Eiablage erfolgt am Ufer der Gewässer, wobei die Eier auf die Wasseroberfläche oder an Erlenwurzeln, bemoosten Felsen oder Totholz abgelegt werden. Der Entwicklungszyklus der Art dauert 2-3 Jahre. Die Flugperiode erstreckt sich von Juni bis maximal Ende August. Als Lebensraum der Larven scheint dichtes untergetauchtes Wurzelgeflecht notwendig zu sein.

Die Entwicklungsdauer der Larven beträgt nach Heymer (1964) 2–3 Jahre. Für die Our (Rheinland-Pfalz) wird eine dreijährige Entwicklung vermutet (Ott et al. 2007).

Die Schlupfzeit liegt in Mitteleuropa zwischen Mitte Juni und Ende Juli. Der größte Teil der Tiere schlüpft dabei oftmals bereits in den ersten Tagen, nach zwei Wochen finden sich hingegen meist nur noch einzelne Exuvien (Häute des letzten Larvenstadiums) (Ott et al. 2007). Der Schlupf vollzieht sich in Ufernähe überwiegend an Baumstämmen, Ästen, Zweigen oder Wurzeln sowie an krautigen Uferpflanzen meist in einigen Dezimetern, in Einzelfällen auch in bis über 2 m Höhe über dem Wasserspiegel.

Die Flugzeit erstreckt sich an der Our auf den Zeitraum Mitte Juni bis Anfang August. Die individuelle Gesamtlebensdauer der Imagines (Geschlechtsstadium) wird auf etwa vier Wochen geschätzt (Ott et al. 2007).

Nach dem Schlupf verlassen die Tiere das Gewässer, um während der so genannten Reifephase in den insektenreichen Lebensräumen der Umgebung Nahrung und damit die benötigte Energie für die Fortpflanzung aufzunehmen. Hierzu suchen die Tiere besonnte Gehölzstrukturen wie Hecken und Obstwiesen meist abseits der Gewässer auf (Ott et al. 2007). Auch andere insektenreiche Lebensräume wie Waldränder, lichte Wälder, Säume, Brachen und blütenreiches Grünland dürfte zum Reifefraß genutzt werden. Entsprechend blütenreiche Lebensräume sind daher in der Umgebung der Fortpflanzungsgewässer wichtig.

Die Reifephase ist relativ kurz. Dies lässt sich aus Beobachtungen von Eiablagen bereits eine Woche nach den ersten Exuvienfunden an der Our (Ott et al. 2007) schließen. Auch die Männchen kehren dann ans Gewässer zurück und patrouillieren stetig entlang der Ufer strömungsberuhigter Fließgewässerabschnitte. Die Länge dieser Abschnitte liegt meist zwischen 10 und 20 m (Wildermuth 2008). Treffen sie dabei auf ein anderes Männchen der Art, attackieren sie dieses und versuchen es zu vertreiben. Das gezielte Absuchen der Ufer durch die Männchen, bei dem auch Höhlungen inspiziert werden, wird von einigen Autoren (z.B. Ott et al. 2007) auch als Strategie zur Partnerfindung gedeutet, indem die Männchen gezielt Eier ablegende Weibchen suchen.

Die Paarung kann in Gewässernähe, aber auch in größerer Entfernung zum Gewässer stattfinden. Die Eiablage wird vom Weibchen ohne Bewachung durch das Männchen vollzogen. Dazu werden meist beschattete Abschnitte mit überhängenden Ästen und Höhlungen von Baumstämmen oder -wurzeln genutzt. Die Eier werden dabei ufernah im Flug auf der Wasseroberfläche abgestreift, oft unmittelbar neben oder über den Wurzeln der Uferbäume oder an die im Wasser flutenden Feinwurzelvorhänge.

Lokale Population

Die großen Entfernungen zwischen den einzelnen bekannten Vorkommen an der nordöstlichen Verbreitungsgrenze in Belgien, Luxemburg, Deutschland und Nordostfrankreich lässt vermuten, dass einzelne Tiere Flugdistanzen von mehr als 70 km zurücklegen, um neue Populationen gründen zu können.

Für das aktuell einzig bekannte deutsche Vorkommen an der Our (Rheinland-Pfalz) lassen sich insgesamt etwa sechs jeweils zwischen 100 und 300 m lange besiedelte Abschnitte bilden, die jeweils mindestens 2 km voneinander getrennt sind. In einer Fang-Wiederfang-Studie wurden maximale Flugdistanzen von über 3 km festgestellt (Ott et al. 2007). Einige der Vorkommen dieser Abschnitte dürften daher untereinander in einem Austausch stehen. Bislang ist nicht bekannt, wie stark dieser Austausch ist. Jeder der besiedelten Abschnitte ist daher als lokale Population zu werten. Die Abgrenzung der lokalen Population kann immer nur im Einzelfall vor Ort nach eingehenden Untersuchungen durch einen erfahrenen Gutachter erfolgen.

Gefährdung

Als Gefährdungsfaktoren kommen Veränderungen der Uferstruktur durch Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie Gewässerverschmutzungen in Betracht. Eine weitgehend vollständige Beschattung der Ufer infolge Sukzession oder Bepflanzung bzw. deren zu starke Auflichtung sowie Veränderungen der Morpho- und Fließdynamik mindern die Qualität des Lebensraums.

Die Hauptgefährdung der Gekielten Smaragdlibelle geht von Gewässerausbau und –unterhaltungsmaßnahmen aus, insbesondere von Maßnahmen, die den von der Art zur Eiablage genutzten Lebensraum betreffen.

Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

Land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzungen beeinflussen die Fortpflanzungsgewässer der Gekielten Smaragdlibelle indirekt durch Nährstoffeinträge und Gewässerverschmutzungen.

Nutzungsbedingte Gefährdungsursachen sind insbesondere:

  • Eutrophierung der Gewässer (direkte oder indirekte Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, ggf. auch aus Forst- und Fischereiwirtschaft)
  • Einleitung von Abwässern aus landwirtschaftlichen Betrieben, v.a. zur Schweinemast, und anderen Anliegern
  • Veränderungen der an die Fortpflanzungsgewässer angrenzenden Flächen (Lebensräume der Imagines) z.B. durch stärkere Nutzung, Grünlandumbruch oder Beseitigung von Feldgehölzen
  • Entnahme von Ufergehölzen; da insbesondere die Wurzelgeflechte von Uferbäumen – v.a. Schwarz-Erlen – eine Funktion zur Eiablage und als Larvenlebensraum haben, wirkt sich deren Entfernung nachteilig aus
  • Fischbesatz und Bewirtschaftung von Fließgewässerabschnitten, der zu einer über das natürliche Maß hinausgehenden Fischdichte führt
  • Besatz mit nicht einheimischen Krebsarten

Sonstige

  • Veränderungen der Uferstruktur durch Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen
  • Veränderungen der Morpho- und Fließdynamik der Gewässer (Ott 2003)
  • Einleitung ungeklärter Abwässer z.B. aus Restauranttoiletten oder von anderen Anliegern
  • Befall von uferbegleitenden Schwarz-Erlen durch die Pilzart Phytophthora alni – Auslöser des so genannten Erlensterbens durch Wurzelfäule, das in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre auftritt
  • Trittschäden durch Angler im Uferbereich (Eiablageorte, Larvenlebensräume)

Schutz

Die Larvalgewässer sollten vor Gewässerausbau, einer intensiven Gewässerunterhaltung und Gewässerverschmutzungen geschützt werden. Spezielle Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensräume der Art lassen sich erst angeben, wenn die Ökologie und Einnischung der Art besser bekannt sind.

Erhaltungsmaßnahmen

  • Kontrolle und ggf. Schutzmaßnahmen gegen einen Befall von uferbegleitenden Schwarz-Erlen durch die Pilzart Phytophthora alni (Auslöser des Erlensterbens)
  • Keine Zerstörung von Uferbäumen/-gehölzen und deren Wurzeln durch Freizeitnutzung (v.a. Angler)
  • Verzicht auf Gewässerausbau und intensive Gewässerunterhaltung der Fortpflanzungsgewässer
  • Keine Einleitung von Gift- oder sonstigen Schadstoffen
  • Kein zusätzlicher Fischbesatz auch in Gewässern, die einer Angelnutzung unterliegen
  • Vermeidung einer zusätzlichen Besiedlung durch nicht einheimische Tierarten, insbesondere durch Kamberkrebs (Orconectes limosus) und Großen Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus) (Ott et al. 2007)

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
  • Programm Agrar-Umwelt-Landschaft – PAULa (Vertragsnaturschutz und Landwirtschaft) des Landes Rheinland-Pfalz
    u.a. umweltschonende Grünlandbewirtschaftung, Umwandlung von Acker in Grünland

Projekte im Internet

  • Artenschutzprogramm für die Gekielte Smaragdlibelle (Oxygastra curtisii, Insecta: Odonata) in Deutschland – das Beispiel der Population an der Our
    Studie im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (LUWG)
    Die in den Jahren 2005 und 2006 durchgeführte Studie dokumentiert die Besiedlung der Art an dem einzig aktuell bekannten Vorkommen in Deutschland an der Our (Rheinland-Pfalz). Darüber hinaus werden Maßnahmenvorschläge zur Sicherung der Population gemacht. Die Ergebnisse der Studie wurden in Ott et al. (2007) veröffentlicht. Unter dem aufgeführten Link gibt es Hinweise auf das Projekt.

Literaturhinweise

verändert nach:
Ott, J. (2003): Oxygastra curtisii (Dale, 1834). In: Petersen, B., Ellwanger, G., Biewald, G., Hauke, U., Ludwig, G., Pretscher, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(1): 602-609.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Klaus Guido Leipelt
Kriegsstr. 184
76133 Karlsruhe

Dr. Mathias Lohr
Hochschule Ostwestfalen-Lippe
An der Wilhelmshöhe 44
37671 Höxter

Dr. Jürgen Ott
LUPO
Friedhofstr. 28
67705 Trippstadt

Martin Schorr
International Dragonfly Fund e.V.
Schulstr. 7B
54314 Zerf

Dr. Frank Suhling
Institut für Geoökologie
TU Braunschweig
Langer Kamp 19c
38106 Braunschweig

Dr. Bernd Trockur
Brückenstr. 25
66636 Tholey Hasborn

Autoren

Mathias Lohr

Unter Mitarbeit von

Oliver Brauner, Klaus Burbach, Holger Hunger, Henrich Klugkist, Rüdiger Mauersberger, Norbert Menke, Jürgen Ott, Franz-Josef Schiel, Matthias Simon, Karola Szeder, Bernd Trockur, Thomas Widdig

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