Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Miniopterus schreibersii - Langflügelfledermaus

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1310
Artengruppierung
Fledermäuse
Status Rote Liste Deutschland
(Meinig et al. 2020): 0 (Ausgestorben)
Status Rote Liste Europa
(Temple & Terry 2007): NT (Vorwarnliste)
Verantwortlichkeit
(Meinig et al. 2020): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Keine ist schneller

Die Langflügelfledermaus benötigt als Quartiere sommerwarme Höhlen. Es sind nur gelegentlich Fälle von Gebäudequartieren im nördlichen Bereich ihres Vorkommensgebietes bekannt. Die Kolonien sind extrem groß und umfassen etliche hundert bis mehrere tausend Tiere. In ihren Quartieren hängen die scheuen Langflügelfledermäuse an der Decke und bilden dabei dichte Pulks, die teilweise an Wandteppiche erinnern. Mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 70 km/h gilt die Langflügelfledermaus als schnellste Fledermaus in Europa.
In Deutschland kam die Art mindestens bis 1960 am Kaiserstuhl vor, gilt aber heute als ausgestorben. Ein Einzelfund in Tübingen im Jahr 1996 wird als „Irrgast“ eingestuft, eine Meldung aus Neu-Isenburg beruht wahrscheinlich auf der fehlerhaften Ablesung eines Ringes (Boye 2004, Kock 1994, Kretzschmar 2003).
In den nördlichen Teilen ihres Verbreitungsgebietes sind die Bestände seit den sechziger Jahren deutlich zurückgegangen, während sie in Südeuropa und Kleinasien noch weit verbreitet und häufig ist.

Merkmale der Langflügelfledermaus

Die Langflügelfledermaus hat eine kurze Schnauze und kurze, dreieckige Ohren, die kaum über das Scheitelfell hinausragen. Diese und einige andere Merkmale machen sie unter den einheimischen Fledermäusen unverwechselbar.

Lebensraum

Während die meisten einheimischen Fledermäuse warme Quartiere im Bereich von Dachböden oder Wandverkleidungen zur Jungenaufzucht im Sommer nutzen, dienen Langflügelfledermäusen auch zu dieser Zeit warme Höhlen und Stollen als Quartiere (Kretzschmar 2003). In manchen Regionen werden Höhlen sogar ganzjährig genutzt (Bauer & Steiner 1960). Die Tiere hängen meist dicht gedrängt an der Decke und sind gegen Störungen im Quartier sehr empfindlich. Dabei besiedeln Langflügelfledermäuse oftmals ihre Quartiere gemeinsam mit weiteren Arten, wie Kleiner Hufeisennase und Großer Hufeisennase sowie dem Großen Mausohr (Bauer & Steiner 1960, Borda et al. 2004, Boye 2011, Presetnik 2004).

Als Lebensraum der Langflügelfledermaus in Europa gelten klimatisch begünstigte felsige Lebensräume (Bauer & Steiner 1960, Boye 2011). Dietz et al. (2007) gehen von einer Bevorzugung laubwaldreicher Regionen aus.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Langflügelfledermaus nutzt Höhlen und Stollen zur Jungenaufzucht und zählt deshalb zu den sogenannten „höhlenbewohnenden“ Fledermausarten. In Österreich und Ungarn wurden einige Wochenstuben im Dachraum von Gebäuden gefunden (Bauer & Steiner 1960, Boye 2004). Dies gilt jedoch als Ausnahme. Neben Höhlen und Stollen werden auch Keller und andere unterirdische Räume genutzt. In diesen hängen die Tiere in dicht gedrängten Pulks an der Decke. Im Gegensatz zu den meisten anderen einheimischen Fledermausarten können Weibchen und Männchen der Langflügelfledermaus auch während der Jungenaufzucht dasselbe Quartier nutzen, wenn auch räumlich etwas getrennt. 

Über die Nutzung und Auswahl der Jagdgebiete ist bisher nicht viel bekannt. Weid & v. Helversen (1987) beobachteten Langflügelfledermäuse in Höhe der Baumkronen und gelegentlich in Kopfhöhe über Waldwegen jagend. Nach Dietz et al. (2007) erbeuten Langflügelfledermäuse ihre Nahrung im Flug um Straßenlaternen, im Kronenbereich von Laubwäldern, über Gewässern sowie nahe am Pflanzenbewuchs. Die Langflügelfledermaus fliegt in einem schnellen und wendigen Flug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 50 km/h (Boye 2004). Auf ihren Flugroten zum Jagdgebiet nutzt sie meist Wege oder Schneisen und fliegt teilweise nur 1-2 m über der Erdoberfläche. Als Nahrung dienen fliegende Insekten wie z.B. Schmetterlinge, Zweiflügler, Termiten, Florfliegen, Köcherfliegen und Käfer (Boye 2004, Freeman 1981).

Die Art führt regelmäßig saisonale Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartieren durch. Die häufigsten Entfernungen bei Wanderungen werden mit 40-100 km, die längsten mit über 800 km angegeben (Dietz et al. 2007). Sowohl im Herbst als auch im Frühjahr werden während dieser Wanderungen Zwischenquartiere, in Stollen (Spitzenberger 1981), Felshöhlen und –spalten (Leopold 2004), genutzt. 

Winterquartiere der Langflügelfledermaus befinden sich zumeist in großen Höhlen oder Stollen mit Temperaturen zwischen 7 und 13°C (Schnetter 1960, Schober & Grimmberger 1998) und Luftfeuchten zwischen 95 bis 98 % (Bauer & Steiner 1960). In den Quartieren überwintern mehrere tausend Individuen, die frei hängend dichte Pulks bilden. Mitunter wird ein Quartier das ganze Jahr über besiedelt und dient als Wochenstube, Paarungs- und Winterquartier.

Die ehemaligen Vorkommen in Deutschland waren Überwinterungsgesellschaften bzw. Tiere auf der Wanderung, die im Sommer in Frankreich ihre Wochenstubenquartiere bezogen. Es wird davon ausgegangen, dass auch Paarungen in diesen Winterquartieren stattgefunden haben. Nach Boye (2004) ist die Langflügelfledermaus deshalb als sich ehemals in Deutschland fortpflanzende Art zu betrachten. In Deutschland sind bisher allerdings keine Aufzuchtstätten bekannt.

Das nachgewiesene Höchstalter liegt bei 16 Jahren (Schober & Grimmberger 1998).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Zwischen Ende Februar bzw. März endet, je nach Witterungsverlauf, der Winterschlaf der Langflügelfledermäuse. In den Wochenstuben werden dann ab April zunächst gemischte Kolonien mit Männchen und Weibchen gebildet. Zwischen Mitte Juni und Anfang Juli werden die Jungtiere geboren. Sie beginnen mit 37-41 Tagen zu fliegen und sind nach etwa 14 Wochen ausgewachsen (Boye 2004). Die Paarung findet im Herbst, teilweise aber auch während Wachphasen im Winterquartier statt. Anders als bei den meisten europäischen Fledermausgattungen, wird bei den Langflügelfledermäusen nach der Begattung die Eizelle sofort befruchtet und entwickelt sich, je nach Körpertemperatur des Weibchens, über den Winter langsam weiter (Oxberry 1979). In den gemäßigten Breiten wird allerdings die Einnistung bis zum Frühjahr hinausgezogen. Im Spätherbst ziehen die Tiere zu den meist über 100 km entfernten, großen Winterquartieren. 

Da über die Nutzung und Auswahl der Jagdgebiete der Langflügelfledermaus kaum etwas bekannt ist, ist eine Einschätzung von auftretenden Konflikten mit land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher Bodennutzung nicht möglich. Von einem negativen Einfluss des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf die Nahrungsverfügbarkeit der Langflügelfledermaus kann aber ausgegangen werden. Langflügelfledermäuse reagieren zudem sehr empfindlich auf Störungen in ihren Quartieren.

Gefährdung

Als Grund für das Verschwinden der Art am Kaiserstuhl werden Störungen der Tiere im Quartier genannt. Zum einen wurde 1952 ein Gitter angebracht, welches die Tiere vor Störungen während des Winters schützen sollte. Da die Tiere diese aber nicht gerne passieren, stellen Gitter eher eine Barriere als eine Hilfe dar. Zum anderen wurde die Vermutung geäußert, dass die Beringung die empfindlichen Tiere zu sehr beunruhigt hat (Schnetter 1960). Eine weitere Annahme für das Verschwinden der Langflügelfledermäuse am Kaiserstuhl ist die Beeinträchtigung durch Pestizideinsatz (z.B. DDT), der dort zu dieser Zeit vermehrt stattgefunden hat (Richarz 1994).

  • Höhlentourismus und andere menschliche Aktivitäten in den besiedelten Höhlen stören die sehr empfindlichen Tiere
  • Verringerung der Nahrungsgrundlage durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln
  • Beeinträchtigung der Tiere durch Beringung im Winterquartier
  • Vergitterung von Höhlen- und Stolleneingängen entwertet die Höhlen, da die Tiere Gittertore nur sehr ungern durchfliegen

Erhaltungsmaßnahmen

  • Erhaltung von Ein- und Ausflugöffnungen an Gebäuden und Winterquartieren
  • Fledermausgerechte Öffnung geeigneter Gebäude und Winterquartiere
  • Rückbau der Vergitterung an für Langflügelfledermäuse geeigneten Höhlen, da die Tiere Gittertore nur sehr ungern durchfliegen
  • Schutz der Wochenstuben- und Winterquartiere
  • Vermeidung der Beeinträchtigung des Nahrungsangebots durch Verzicht oder Verringerung von Schädlingsbekämpfungsmitteln
  • Aufgrund der großen Entfernungen zwischen Sommer- und Winterquartieren müssen entsprechende Lebensraumelemente (z.B. Quartiere) entlang der Wanderrouten erhalten bleiben (Dietz et al. 2007)
  • Vermeidung der Beringung im Winterquartier

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Autoren

Matthias Simon, Karola Gießelmann, Heiko Köstermeyer, Inga Hartmann

Zurück nach oben