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Bundesamt für Naturschutz

„Grüne Finger“ der Stadt Osnabrück – ein produktives Freiraumsystem gemeinschaftlich weiterentwickeln

Für das Freiraumsystem der Stadt Osnabrück, die „Grünen Finger“, wurde von der Hochschule Osnabrück und der Stadt Osnabrück ein Entwicklungskonzept erarbeitet. Mit verschiedenen Beteiligungsformaten wurden Agrarwirtschaft und Zivilgesellschaft einbezogen und ein besonderes Augenmerk auf die Landwirtschaft als Mitgestalterin der produktiven grünen Infrastruktur gelegt.
Zielstellung für biologische Vielfalt
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Weitere Ziele
Klimawandelanpassung und Resilienz
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Weitere Themen
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Planung
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Region und Stadt
Akteursgruppen
Kommunale Verwaltung
Privatwirtschaft
Bürger*innen
Weitere Institutionen
Prozessqualität
Neue Kooperationen
Partizipation
Finanzierung
Öffentliche Förderung

Worum geht es?

Die grüne Infrastruktur resilient und zukunftsfähig machen

Das Freiraumsystem von Osnabrück besteht aus radial angeordneten Grünstrukturen, die die Stadt mit der freien Landschaft verbinden. Diese bestehen aus kleineren öffentlichen Grünflächen und Kleingärten sowie aus land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Die Idee der Gliederung der Stadt über radial angeordnete Grünstrukturen entstand vor rund 100 Jahren und wurde in den Folgejahrzehnten mit unterschiedlicher Intensität weiterverfolgt. Die Kernflächen des heutigen Freiraumsystems „Grüne Finger“ wurde bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans der Stadt im Jahre 2000 berücksichtigt, aber nicht ausreichend planungsrechtlich gesichert. Heute konkurrieren Nutzungen innerhalb der Grünen Finger miteinander, landwirtschaftliche Betriebe kämpfen um Zukunftsperspektiven und durch Wachstumsdruck werden Freiräume überplant. Zudem fehlten abgestimmte Entwicklungsperspektiven für das Freiraumsystem, die auch auf die Folgen des Klimawandels reagieren.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Produktiv. Nachhaltig. Lebendig. Grüne Finger für eine klimaresiliente Stadt“ hat sich daher mit der Weiterentwicklung befasst. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und zwischen 2018 und 2022 von der Hochschule Osnabrück und der Stadt Osnabrück gemeinsam bearbeitet. „Produktiv“ bezog sich im Projekt auf die Landschaftsgestaltung durch Landnutzer*innen aus Landwirtschaft und Gartenbau, „nachhaltig“ auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels. „Lebendig“ repräsentiert den kokreativen Ansatz – das Freiraumsystem sollte von vielen Akteur*innen getragen und mitgestaltet werden. Das entwickelte Freiraumsystem wurde vom Rat der Stadt Osnabrück am 27.09.2022 als Abwägungsgrundlage für das Stadtentwicklungsprogramm beschlossen.

Vielfältiges Wissen zusammenbringen und gemeinschaftlich Szenarien entwickeln

Zu Beginn des Projekts wurden räumliche Daten analysiert und Wissen von Akteuren zusammengetragen. Diese Kombination aus landschaftsplanerischen Fachwissen und Erfahrungswissen, das in partizipativen und kreativen Formaten gemeinsam erarbeitet wurde, bildete die Grundlage für die gemeinschaftliche Entwicklung von Szenarien für die Grünen Finger.

Die Szenarien weisen lokalen Akteursgruppen eine Rolle als aktiv (Mit-)Gestaltende der grünen Infrastruktur zu, insbesondere erwähnt werden die Landwirtschafts- und Gartenbaubetriebe sowie Gärtner*innen in Klein- und Gemeinschaftsgärten sowie auf Grabeländern. Die drei Leitprinzipien „Bekräftigen“, „Aktivieren“ und „Beleben“ werden durch räumlich konkrete Maßnahmen verortet und beziehen sich zum Beispiel auf die Stärkung des Biotopverbunds, Schaffung von Retentionsflächen bzw. „Schwammbereichen“ oder optimierte Gestaltung des Wegenetzes. Zudem werden Entwicklungsperspektiven für die urbane Landwirtschaft mit lokalen Vermarktungswegen aufgezeigt.

Karte mit den räumlichen Zielen für das Projektgebiet.
Konkretisiertes Freiraumsystem der Grünen Finger

Wie wurde es gemacht?

Landwirtschaft als Partnerin begreifen

Da die Grünen Finger zu mehr als 50 % von Landwirt*innen bewirtschaftet werden, hat die Landwirtschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der grünen Infrastruktur. Für das Projekt wurden acht Kooperationsbetriebe gewonnen und deren Perspektiven auf die grüne Infrastruktur sowie betriebliche Situation ausführlich besprochen. Mit diesen wurden auch Ideen für nachhaltige und klimaangepasste Anbaukonzepte sowie alternative, regionale Vermarktungswege entwickelt.

Darüber hinaus wurden Vertreter*innen der Landwirtschaft gezielt ermuntert an den Beteiligungsformaten teilzunehmen und dort die Perspektiven von Landnutzenden einzubringen. Nach anfänglicher Skepsis beteiligten sich Landwirt*innen zunehmend. Dafür war eine wertschätzende Haltung der Projektverantwortlichen und der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen entscheidend.

Die Funktionen von Landwirt*innen sind den Produkten des Projekts sichtbar. Über den Ausbau z. B. der Produzenten-Konsumenten-Beziehungen konnten Entwicklungsperspektiven der Agrarbetriebe in die Konzepte einer nachhaltigen Stadtentwicklung einfließen. Durch eine frühzeitige Einbindung der Perspektiven der Landwirtschaft in Beteiligungsformate mit der Politik wuchs auch das Verständnis für landwirtschaftliche Herausforderungen in der Politik.

Kreative Partizipationsformate einsetzen

Auch auf Seiten der Zivilgesellschaft und der Politik galt es zunächst, ein Bewusstsein für die Sicherung von Freiraumfunktionen durch die Landwirtschaft und für die jeweils sehr individuelle landwirtschaftliche Praxis aufzubauen. Bei den Beteiligungsformaten kamen Walks, Wahrnehmungswerkstätten, ein Bürger*innen-Beirat und eine Arbeitsgemeinschaft mit der lokalen Politik sowie Workshop mit Gruppen von Landnutzerenden aus der Agrarwirtschaft zum Einsatz. Die Walks und Wahrnehmungswerkstätten haben Ansätze der künstlerische Wahrnehmungsforschung genutzt und Fachdaten und -analysen um emotionales und räumliches Erleben ergänzt. Durch Wanderungen oder Skizzieren im Gelände haben sie eine sinnlich-körperliche Wahrnehmung der grünen Infrastruktur unterstützt. Durch das Zusammentragen und Reflektieren der Eindrücke entstand ein gemeinsames Erfahrungswissen, welches in das Entwicklungskonzept für die Grünen Finger eingeflossen ist.

Freiraumentwicklung politisch verbindlich machen

Die Freiraumsicherung und -entwicklung muss in verbindliche politische Beschlüsse Eingang finden. In Osnabrück ist dies gelungen und der Rat der Stadt Osnabrück erkennt „den Wert der Grünen Finger als identitätsstiftendes und strukturgebendes Freiraumsystem mit herausragender Bedeutung für eine zukunftsfähige, klimaresiliente Stadt an“ (Beschluss vom 27.09.2022). Der Rat verpflichtet sich zu Schutz und Weiterentwicklung der vielfältigen Funktionen der Grünen Finger und es ist eine „Grüne Finger Charta“ vorgesehen, um das Stadtentwicklungsprogramm zu ergänzen.

Kontakt

Hochschule Osnabrück
Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur
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