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Bundesamt für Naturschutz

Botrychium simplex - Einfacher Rautenfarn

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1419
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Einfache Mondraute, Einfacher Traubenfarn
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): NT (Vorwarnliste)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): In hohem Maße verantwortlich

Beschreibung

Pilzabhängiger Farn im Untergrund

Ein beträchtlicher Teil des Lebens des Einfachen Rautenfarns spielt sich unter der Erde ab. Wenn die Umgebungsbedingungen ihm nicht passen, bleibt er über Jahre hinweg nicht sichtbar unter der Erde. Was genau ausschlaggebend für die Ausbildung des oberirdischen, sporenbildenden Sprosses ist, ist weitgehend unbekannt. Sicher ist, dass der Einfache Rautenfarn überhaupt nur eine Chance hat sich zu entwickeln und zu überleben, wenn im Boden ein Pilz vorhanden ist, der den Farn mit Nährstoffen versorgt. Sind alle Bedingungen erfüllt und der oberirdische Spross ausgebildet, muss man dennoch sehr genau hinsehen, um ihn zu finden – er ist teilweise keinen Zentimeter hoch!

Lebensraum

Der Einfache Rautenfarn kann kleiner als einen Zentimeter sein und ist daher im Pflanzenbewuchs schwer zu finden. Aufgrund der geringen Größe der Sprosse ist die Art zudem sehr konkurrenzschwach und auf eine lückige Pflanzendecke angewiesen. In Europa besitzt die Art ihren Verbreitungsschwerpunkt in Skandinavien und im Ostseeraum. In Deutschland findet man den Einfachen Rautenfarn nur an einem Standort in Nordrhein-Westfalen. Dort wächst er auf nährstoffarmem Sandboden in einem Borstgrasrasen.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Der Einfache Rautenfarn ist eine säure- und feuchtigkeitsliebende Farnpflanze, die in lückigen, kurzrasigen Pflanzengesellschaften zu finden ist und nährstoffarme, wechselfeuchte bis anmoorige bzw. quellige Standortverhältnisse bevorzugt (Horn & Korneck 2003). Besiedelte Lebensräume sind unter anderem beweidete Strandrasen an den Küsten Skandinaviens (Cederberg & Löfroth 2000 in Ellmauer 2005), bodensaure Magerrasen, Borstgraswiesen und Heiden mit Besenheide in Norddeutschland (Bennert 1999) und bodensaure Rasengesellschaften bis in die Höhenlagen der Zentralalpen (Melzer 1990, Horn & Korneck 2003). In Deutschland kommt er aktuell nur noch auf einem Truppenübungsplatz im östlichen Nordrhein-Westfalen vor. Dort besiedelt er einen nährstoffarmen, wechselfeuchten bis anmoorigen, mächtigen Sandboden mit geringer Humusauflage. Die Pflanzengesellschaft an diesem Standort ist ein Torfbinsen-Borstgrasrasen. Früher fand man die Art beispielsweise auch in feuchten Dünentälern, feuchten Wiesen und kurzrasigen Triften an Fluss- und Seeufern (Bennert 1999). Die Art kann unter vollsonnigen und halbschattigen Bedingungen wachsen. Sie reagiert empfindlich auf Austrocknung, aber auch auf zu hohe Feuchtigkeit während der Wachstumsperiode (Bennert 1999).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Wie bei allen Farnen, findet auch beim Einfachen Rautenfarn ein Generationswechsel statt. Das bedeutet, dass sich zwei Generationen abwechseln, die sich in ihrer Entstehung und in ihrer Gestalt unterscheiden: der Gametophyt (Vorkeim) und der Sporophyt. Während der Sporophyt die Pflanze ist, die man als typische, grüne Farnpflanze (er-)kennt, tritt der Gametophyt gar nicht oberirdisch in Erscheinung. Er lebt unter der Erde und ist bei seiner Ernährung auf das Zusammenleben mit einem Pilz angewiesen. 

Der Sporophyt ist sommergrün und besitzt ein kurzes Rhizom (unterirdischer Wurzelspross), das mehrere Triebe hervorbringen kann. Sie stehen relativ dicht nebeneinander und bilden kleinere Gruppen (Bennert 2003 in Ellmauer 2005). Die Keimblätter des Sporohyten sind relativ groß und ermöglichen damit der Pflanze eine schnelle Entwicklung, um teilweise schon im ersten Jahr zu fruchten und Sporen auszubilden. Danach sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab. In den Ötztaler Alpen setzt die Sporenreife beispielsweise zwischen Ende Juli und Anfang August ein, Mitte bis Ende August sind kaum mehr Pflanzen oberirdisch zu beobachten (Horn & Korneck 2003). 

Die Sporen sind sehr klein und können über den Wind ausgebreitet werden. Für ihre Keimung sind sie auf Dunkelheit und die Anwesenheit eines bestimmten Pilzes angewiesen. Eine niedrige Keimungsrate ist dabei typisch. Bis zum Eintritt der Sporen in den Boden und zur anschließenden Keimung können bis zu 5 Jahre vergehen, aber auch eine sofortige Keimung kann nach Ausstreu stattfinden. 

Aus den Sporen entwickelt sich der Gametophyt. Der Gametophyt ist ein knollenähnliches Gebilde von nur 1-2 mm. Er kann sich über mehrere Jahre unterirdisch entwickeln, bis er dann schließlich Keimzellen ausbildet. Während die Eizellen unbeweglich sind, sind die männlichen Keimzellen auf Feuchte angewiesen um zu den Eizellen zu gelangen. Auch aufgrund der wasserabhängigen Befruchtung reagiert die Art empfindlich auf Absenkung des Grundwasserspiegels. Nach der Befruchtung entsteht auf dem Gametophyt wiederum der Sporophyt. Auch der Sporophyt kann zunächst über mehrere Jahre unterirdisch existieren, bevor er an die Oberfläche tritt. Er bildet zunächst Wurzeln aus und anschließend, im Frühjahr, das einzige Blatt. Voraussetzung für die Entwicklung der Sporophyten ist ebenfalls die Anwesenheit des Pilzes, den sowohl Gametophyt als auch Sporophyt für Nährstoffversorgung und damit Wachstum benötigen. Nicht selten, bleibt der Sporophyt über mehrere Jahre in einem Ruhezustand, d.h. er tritt nicht an die Oberfläche, was Bestandsschätzungen erheblich erschwert.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

In Deutschland ist aktuell nur eine Population bekannt. Diese setzt sich aus vier Teilpopulationen zusammen, welche jeweils etwa 30-100 m Abstand voneinander haben. Seit 1994 findet ein Monitoring dieser Population statt. Von den 450 Exemplaren, die 1994 gezählt wurden, ist der Bestand auf 30 gesunken.

Gefährdung

Da sich das deutschlandweit einzige bekannte Vorkommen des Einfachen Rautenfarns auf einem Truppenübungsplatz befindet, sind auch spezifisch für diesen Standort zutreffende Gefährdungsursachen zu beachten.

Land- und Forstwirtschaft

Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft können sich nachhaltig auf Vorkommen des Einfachen Rautenfarns auswirken:

  • Zuwachsen und damit Verdrängung durch höherwüchsige Arten – der Einfache Rautenfarn ist sehr klein und benötigt eine sehr lückige Pflanzendecke

Sonstige

  • An ihrem derzeit einzigen bekannten Fundort in Deutschland (auf einem Truppenübungsplatz) ist die Art durch Befahren gefährdet. Andererseits könnte das Befahren die Nachteile der Grundwasserabsenkung verringern, da es durch Bodenverdichtung staunasse Standorte schafft
  • Absenkung des Grundwasserspiegels durch Trinkwasserentnahme wirkte sich bereits negativ auf andere feuchtebedürftige Arten des Torfbinsen-Borstgrasrasens aus. Ein direkter Nachweis des negativen Einflusses auf den Einfachen Rautenfarn fehlt jedoch bisher
  • Es besteht ein extremer Sammeldruck durch „Artenjäger“– in Österreich ist ein Wuchsort daher sogar erloschen, nachdem er bekannt wurde
  • Wühlen von Wildschweinen

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Einfachen Rautenfarns

Um Beeinträchtigungen des Einfachen Rautenfarns durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Extensive Bewirtschaftung durch sporadische Mahd (evtl. auch extensive Beweidung) fördert den konkurrenzschwachen Rautenfarn, indem sie die Konkurrenz durch andere Arten mindert

Allgemein gilt für bewirtschaftete Flächen

  • Der Bestand sollte weder zu sehr beschattet noch zu dicht werden

Sonstige Maßnahmen

  • Die Schaffung von Offenboden angrenzend an das aktuelle Vorkommen könnte neuen Lebensraum schaffen und das Eindringen von konkurrenzstarken Gräsern (Land-Reitgras) aus der Umgebung verlangsamen
  • Die Absenkung des Grundwassers um einen Meter am aktuellen Standort wirkt sich vermutlich negativ auf den Bestand aus:
    • Es wäre zu erproben, in wie weit Schaffung von Rohboden in Grundwassernähe durch (evtl. auch kleinflächigen) Oberbodenabtrag neuen Lebensraum bieten könnte
  • Es besteht hoher Forschungsbedarf zur Ökologie des Einfachen Rautenfarns, um die Ursachen für den Rückgang zu verstehen und gezielte Hilfsmaßnahmen einleiten zu können:
    • EU-weite Forschung und ein Artenhilfsprogramm sollten gefördert werden
  • Für das aktuelle Vorkommen in Deutschland ist darauf zu achten, dass durch den militärischen Übungsbetrieb keine Schädigung der vorhandenen Population erfolgt
  • Zugleich kann der militärische Übungsbetrieb auch neue Lebensräume schaffen und die Art vor Pflanzensammlern schützen, und sollte daher aufrecht erhalten werden

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA). 

Projekte im Internet

  • Internetseite des Bundesamtes für Naturschutz: Artensteckbrief für den Einfachen Rautenfarn
  • Internetseite des WWF Schweiz – Artensteckbrief für den Einfachen Rautenfarn
  • Merkblätter Artenschutz des Nationalen Zentrums für die Kartierung der Schweizer Flora (Farn- und Blütenpflanzen)

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Chadde, S. & Kudray, G. (2001): Conservation Assessment for Least Grape-fern/Least Moonwort (Botrychium simplex). USDA Forest Service, Eastern Region.
  • Anderson, D. G. (2006): Botrychium simplex E. Hitchcock (little grapefern): a technical conservation assessment. USDA Forest Service, Rocky Mountain Region.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Karsten Horn
Frankenstr. 2
D–91077 Dormitz

Autoren

Juliane Drobnik, Christina Meindl, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Karsten Horn, Matthias Dolek, Burkhard Beinlich

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