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Bundesamt für Naturschutz

Apium repens - Kriechender Sellerie

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1614
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Sium repens, Helosciadium repens, Apium nodiflorum spp. repens
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): NT (Vorwarnliste)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Besonders hohe Verantwortlichkeit

Beschreibung

Ein sensibler Pionier

Der konkurrenzschwache Kriechende Sellerie ist in vielen europäischen Ländern beheimatet, aber vielerorts im Rückgang begriffen. Die Pionierpflanze liebt nasse Füße, egal ob an Gewässern, in Wiesen oder entlang von Wegen. Sind jedoch keine Störstellen vorhanden, kann sich der Kriechende Sellerie nicht entwickeln. Somit sind immer wiederkehrende, kurzfristige Störungen, zum Beispiel durch Beweidung, für dessen Erhalt notwendig. Die beiden größten deutschen Vorkommen finden sich im Donaugebiet und im Voralpenraum.

Lebensraum

Der Kriechende Sellerie ist ein wahrer Europäer. Seine Vorkommen erstrecken sich vom Atlantik, über West- und Mitteleuropa bis nach Polen. Die größten deutschen Vorkommen befinden sich entlang der Donau, im Voralpenraum und im nordostdeutschen Tiefland (südliches Mecklenburg und nördliches sowie östliches Brandenburg). Die Art ist an Ufern unterschiedlicher Gewässer, im Grünland, auf Scherrasen (Park-, Tritt- und Sportrasen) oder auch an Wegrändern zu finden. Sie kommt zudem im Kontakt zu Binnensalzstellen und in Quelltümpeln vor. Wichtig für die konkurrenzschwache Art sind offener Boden und/oder ein niedriger Pflanzenbewuchs und ein feuchter bis zeitweise nasser Untergrund.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Der Kriechende Sellerie ist ein immergrüner, konkurrenzschwacher Doldenblütler mit einer Vorliebe für feuchten bis staunassen Untergrund. Diese Bedingungen findet er vor allem im zeitweise überschwemmten Bereich stehender oder langsam fließender Gewässer, aber auch in Gräben, Nasswiesen, Flutrasen oder feuchten Wegen. Als typische Pionierpflanze wächst er vielfach dort, wo natürlicherweise oder durch den Menschen verursacht „Lücken“ in der Pflanzendecke entstehen und dadurch genügend Licht für die konkurrenzschwache Pflanze vorhanden ist (Hauke 2003). Vor allem eine regelmäßige Mahd, Tritt oder Beweidung verursachen diese offenen Bodenstellen, in denen sich die Art ansiedeln und erfolgreich blühen kann. Aber auch im Wasser flutend oder untergetaucht kann diese Art in manchen Lebensräumen vorkommen. Häufig findet man den Kriechenden Sellerie in Weide- oder Mähweideflächen, aber auch in Spiel- und Liegewiesen im Bereich von Bade- oder Bootsanlegestellen (Fukarek & Voigtländer 1982, Wollert 1981).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Das Spross- und Blattwachstum des Kriechenden Selleries kann je nach Wasserstand und Witterung recht früh im Jahr erfolgen. Neben der generativen Vermehrung über Samen ist der Kriechende Sellerie auch in der Lage, sich vegetativ durch oberirdische Ausläufer fortzupflanzen und so größere Flächen mit nur einem einzigen Individuum zu besiedeln (Burmeier 2009). Welcher Fortpflanzungstyp vorherrscht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem aber von der Nutzung (Mahd, Beweidung) und den Standortbedingungen der Lebensräume. So herrscht bei im Wasser lebenden oder häufig überfluteten Pflanzen hauptsächlich vegetative Vermehrung vor, während sich die Landformen des Kriechenden Selleries meist über Samen vermehren. Die Fähigkeit dieser Art Ausläufer zu bilden, die sich bewurzeln, erlaubt ihr, sehr schnell neu entstandene (Kleinst-)Lebensräume zu erobern und in sehr kurzer Zeit vergleichsweise große Bestände aufzubauen. Hinzu kommt, dass durch Verletzung (z.B. Tritt oder Mahd) abgetrennte Teilstücke der Pflanze sich bei Bodenkontakt bewurzeln können und damit auch eine schnelle und auch großflächige Besiedelung des Wuchsorts möglich ist (Burmeier 2006). Zusammen mit der niederliegenden Wuchsweise des Kriechenden Selleries sind dies ideale Anpassungen an nutzungsbedingte Störungen, wie Beweidungsdruck, häufige Mahd und Trittbelastung. Allerdings ist die Art konkurrenzschwach und wird schnell von der umgebenden Pflanzendecke überwachsen. Daher ist eine regelmäßige Störung der Lebensräume des Kriechenden Selleries durch Beweidung, Mahd, Tritt oder wechselnde Wasserstände enorm wichtig, um sein langfristiges Überleben zu sichern.

Die Blütezeit des Kriechenden Selleries erstreckt sich von Juni bis Oktober. Die anschließend gebildeten Samen benötigen eine Ruhephase und keimen erst im nächsten Frühjahr. Die Samenanzahl hängt nicht nur von der Fitness der Pflanze, sondern auch von der Störungsintensität im Sommer ab. Für die Keimung der Samen benötigt der Kriechende Sellerie Licht und oberflächliche Bodenverwundungen bzw. Störstellen, wie sie z.B. durch die Pflege der Lebensräume mit Beweidung regelmäßig entstehen. Allerdings ist die Sterblichkeit der Keimlinge auf beweideten Flächen vielfach sehr hoch.

Die Samen des Kriechenden Selleries sind langlebig und können eine Samenbank im Boden aufbauen. Dadurch sind sie in der Lage, unterirdisch ungünstige Umweltbedingungen zu überdauern und auch nach mehreren Jahren noch zu keimen. Dies ermöglicht der Art nach dem Eintreten geeigneter Wuchsbedingungen wieder in Erscheinung zu treten. Deshalb sollten auch auf Flächen mit ehemaligen Vorkommen des Kriechenden Selleries geeignete Wuchsbedingungen wiederhergestellt werden, da die Pflanzen möglicherweise aus der Samenbank reaktiviert werden können. Allerdings fehlen Daten, wie lange die Samen im Boden überleben können.

Die Ausbreitung der Samen erfolgt vermutlich mit Hilfe von Weidetieren, die an den Hufen anhaftende Samen transportieren bzw. Samen fressen und anschließend wieder ausscheiden. Zudem sind die Samen schwimmfähig und können entlang von Gewässern verdriftet werden. Trotzdem gilt das Ausbreitungspotenzial als ein Grund für die Seltenheit dieser Art.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Der Kriechende Sellerie tritt in der Regel in lockeren Einzelbeständen oder als Einzelpflanze auf, kann aber auch dichte, rasenartige Bestände ausbilden. In Ostdeutschland sind lokale Populationen aufgrund ihrer flächendeckenden Vorkommen relativ großflächig abzugrenzen. Geeignete Kriterien zur Abgrenzung der lokalen Populationen sind Grünlandkomplexe und Grabensysteme. Im westlichen Deutschland dagegen treten die Populationen kleinflächig auf und sind deshalb kleinräumiger abzugrenzen. Generell können Äcker, Wälder oder Grünlandbestände mit dichtem, für den Kriechenden Sellerie ungeeignetem Pflanzenbewuchs als trennende Landschaftselemente angesehen werden.

Gefährdung

Die Art ist durch Nutzungsaufgabe oder starke Intensivierung der Nutzung (z.B. übermäßige Beweidung) gefährdet. Allerdings kann häufige Mahd ihre Ausbreitung in Scherrasen fördern.

Land- und Forstwirtschaft

  • Einstellung oder Veränderung der Nutzung (z.B. extensive Mahd statt Beweidung)
  • Aussparen der Gewässerränder von der Beweidung
  • Nutzungsintensivierung (z.B. Düngung oder Neueinsaat; intensive Mahd wie in Scherrasen ist aber möglich)
  • Beschattung, Streuanreicherung, fehlende Mähgutbeseitigung

Sonstige

  • Veränderungen der Feuchtigkeitsverhältnisse (z.B. durch Eindeichung und Veränderung des Grundwasserspiegels)
  • Flächenverlust
  • Fehlen von Störstellen im Pflanzenbewuchs (wichtig für Keimlingsetablierung)
  • Beseitigung des Mikroreliefs (z.B. Auffüllen von Senken)
  • Großflächige Grabenräumung
  • Verhinderung der natürlichen Dynamik an Flüssen und Veränderung des Grundwasserspiegels
  • Anschütten von Sandstränden an Badestellen (v.a. in Ostdeutschland zutreffend)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Kriechenden Selleries

Die Art kann insbesondere durch den Schutz bestehender Wuchsorte und der dort herrschenden Störungs- und Feuchtigkeitsverhältnissen erhalten werden.

Landwirtschaft

  • Ideal ist eine Beweidung der Standorte, die Störstellen und Lücken im Pflanzenbestand schafft; bei ausreichend großen Flächen ist ein Umtriebsweidebetrieb ideal
  • Uferbeweidung zulassen (diese aber nur zeitlich begrenzt und/oder mit beschränkter Besatzdichte, max. 1-2 GVE/ha)
  • Bei Mahd regionale Unterschiede berücksichtigen: im Osten 2-3-schürige Mahd, im Süden eher 3-5-schürige Mahd (letztendlich aber abhängig von Wüchsigkeit, zum Ende der Wachstumsperiode müssen kurzrasige Bereiche vorhanden sein)
  • Tiefe Einstellung des Mähwerkes, um offene Bodenstellen zu schaffen (ein negativer Einfluss auf die Fauna kann hier durch die Kleinräumigkeit der Behandlung in Kauf genommen werden)
  • Düngung möglichst vermeiden

Allgemein gilt

  • Bei neu etablierten Vorkommen kann ein anfänglicher Beweidungsausschluss günstig sein, um eine dauerhafte Etablierung zu gewährleisten
  • Offenhaltung der Flächen und Aufrechterhaltung des bestehenden Störungsregimes
  • An Primärstandorten (Seeufer, Fließgewässer usw.): Erhalt der natürlichen Dynamik
  • An Sekundärstandorten: Schaffung/Erhalt von kurzrasigem Grünland (fördert die klonale Ausbreitung der Art)
  • Bei Vorkommen an Gräben: Aufweitung der Profile der Gräben, naturnähere Gestaltung, periodische Entkrautungsmaßnahmen, ggf. ergänzt durch Mahd im Uferbereich
  • An ehemaligen Standorten: Regeneration von Vorkommen durch Aktivierung der Diasporenbank, z.B. durch gezielte Bodenverwundung

Sonstige Maßnahmen

  • Angemessene Pflege der Ersatzlebensräume (Feuchtweiden, Scherrasen, Trittrasen, Flutrasen)

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend
  • Alpine Region: ungünstig - unzureichend

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Projekte im Internet

  • Artenschutzprojekt Kriechender Sellerie in Mecklenburg-Vorpommern
  • Artenschutzprojekt Kriechender Sellerie in Nordrhein-Westfalen

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Wagner, A. & Wagner, I. (2008): Beginnende Bestandskontrolle des Kriechenden Selleries (Apium repens) 2007. – Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des LfU, Augsburg.
  • Merkblätter Artenschutz des Bayerischen Landesamtes für Umwelt: Kriechender Sellerie

Autor*in

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Eckhard Garve
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)
Betriebsstelle Süd
Rudolf-Steiner-Str. 5
38120 Braunschweig

Dr. Frank Zimmermann
Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Ref. Ö2
Seeburger Chaussee 2
14476 Potsdam

Martin Engelhardt
Ebertstr. 37
72072 Tübingen

Autoren

Steffen Heelemann, Sandra Burmeier, Eckhard Garve, Frank Zimmermann, Christina Meindl, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Heiko Korsch, Martin Scheuerer, Burkhard Quinger

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