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Bundesamt für Naturschutz

Angelica palustris - Sumpf-Engelwurz

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1617
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Sumpf-Brustwurz, (Sumpf-) Mutterwurz
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): DD (Daten ungenügend)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Ohne nasse Füße geht es nicht!

Die Sumpf-Engelwurz wächst am liebsten dort, wo vor allem im Frühjahr nasse Bodenbedingungen vorherrschen. Viele Feuchtwiesen und Sümpfe wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts allerdings entwässert, intensiv genutzt und teilweise sogar in Ackerland umgewandelt. In Deutschland gibt es nur noch ca. 15 Bestände der Sumpf-Engelwurz in traditionell bewirtschafteten Feuchtwiesen und Staudenfluren. Die Art gilt mittlerweile als stark gefährdet. Da sie sich ausschließlich über Samen vermehren kann und nach der Blüte abstirbt, spielt der Mahdzeitpunkt für den Fortbestand dieser Art eine wichtige Rolle.

Lebensraum

Die Sumpf-Engelwurz bevorzugt wechselnasse Standorte, welche im Frühjahr sehr nass sind und dann im Laufe des Sommers etwas abtrocknen. In Staudenfluren und auf brach gefallenen Wiesen kommt sie zwar auch vor, am besten gedeiht sie jedoch langfristig auf Feuchtwiesen – vorausgesetzt diese werden so bewirtschaftet, dass sie regelmäßig Früchte ausbilden kann.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Sumpf-Engelwurz findet optimale Wuchsbedingungen in mäßig nährstoffreichen, wechselnassen Feuchtwiesen, welche im Frühjahr sehr nass sind und im Sommer etwas abtrocknen. In Brandenburg, wo sich zehn der aktuell ca. 15 Vorkommen befinden, kommt sie vor allem in Pfeifengraswiesen und Nasswiesen vor. Sie gilt als Charakterart von Nasswiesen (Oberdorfer 2001), auch wenn sich die deutschen Vorkommen nicht in der typischen Ausprägung dieser Pflanzengemeinschaft befinden, sondern höchstens in Übergängen zu Pfeifengraswiesen (Hauke 2003). Traditionell werden diese Feuchtwiesen durch einschürige Mahd genutzt.

Gelegentliche Überschwemmungen oder sehr hohe Wasserstände im Winter bzw. im zeitigen Frühjahr können sich förderlich auswirken. Dauerhafte Überstauung überlebt die Sumpf-Engelwurz hingegen nicht. Ebenso wenig verträgt sie die komplette Trockenlegung ihrer Standorte, wie es im Rahmen von Meliorationsmaßnahmen geschehen ist.

Die Sumpf-Engelwurz kommt auch in Staudenfluren und in den Auflassungsstadien ehemaliger Feuchtwiesen vor. Die Standortbedingungen in diesen nicht mehr bewirtschafteten Pflanzengesellschaften sind für die Sumpf-Engelwurz jedoch nicht optimal, auch wenn sie in diesen recht lange überdauern kann. Direkt nach dem Brachfallen von Feuchtwiesen erfährt die Art teilweise sogar eine Bestandszunahme. Langfristig wirken sich die zunehmende Bildung einer Streuschicht aus abgestorbenem Pflanzenmaterial und damit ein Mangel an Stellen für die Samenkeimung jedoch negativ auf die Bestandsentwicklung aus. Ebenso führt eine zunehmende Konkurrenz durch Hochstauden zur Verdrängung der lichtbedürftigen Sumpf-Engelwurz.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Im Frühjahr keimen Jungpflanzen der Sumpf-Engelwurz aus Samen des Vorjahres. Ältere Individuen, welche in den Vorjahren nicht zur Blüte kamen, überdauern den Winter blattlos an der Bodenoberfläche. Im Frühjahr treiben diese Individuen neue Rosettenblätter aus. Im Laufe des Frühjahrs bilden sich dann Blütenstände aus, welche zwischen Juli und August zur Blüte kommen. Die meist zwei- bis dreijährige Pflanze stirbt nach der ersten Blüte ab. Die Sumpf-Engelwurz ist selbstbefruchtend und die Früchte müssen an der Pflanze ausreifen, um eine gute Keimfähigkeit zu erreichen (Hoffmann et al. 2006-2009). Über Ausläufer kann sie sich nicht ausbreiten. Für den Fortbestand der Art spielt der Mahdzeitpunkt daher eine entscheidende Rolle. Zum einen wird durch die Mahd die Konkurrenz durch andere Arten verringert, andererseits sollte sie jedoch nicht während der Zeitspanne von Blütenbildung bis Samenausstreu stattfinden, da sonst die gesamte Pflanze ohne Samenbildung abstirbt.

Die Samen der Sumpf-Engelwurz brauchen Frost, um gut keimen zu können. Daher keimt ein Großteil der im Herbst gebildeten Samen erst im kommenden Frühjahr. Vereinzelte schon im Herbst gekeimte Pflanzen können den Winter nicht überleben (Dittbrenner 2004). Ob die Sumpf-Engelwurz eine Samenbank ausbilden kann, ist unklar. Langlebige Samen im Boden ermöglichen es anderen Arten ungünstige Jahre mit schlechten Keimungsbedingungen oder fehlender Samenbildung im Boden zu überdauern und in folgenden Jahren auszukeimen, wenn die Umweltbedingungen wieder besser sind.

Damit aus Samen der Sumpf-Engelwurz neue Pflanzen heranwachsen können, ist sie auf eine lückige und nicht verfilzte Krautschicht angewiesen. Das beste Wachstum haben die Pflanzen an sehr hellen Standorten.

Die Ausbreitung der ölhaltigen Samen kann über Tiere in die nähere Umgebung der Mutterpflanze erfolgen. Ebenso kann eine Verdriftung von Samen durch winterliche oder im Frühjahr stattfindende Überschwemmungen erfolgen. Ein ehemals bedeutsamer Weg der Fernausbreitung der Samen der Sumpf-Engelwurz (ebenso wie anderer Feuchtwiesen-Arten) war die Streunutzung von Mähgut (Einstreu im Stall) und dessen anschließende Ausbringung als Dünger auf andere Flächen (Lange et al. 2011). Da diese Streunutzung heutzutage (fast) nicht mehr praktiziert wird, ist ein über Jahrhunderte wichtiger Ausbreitungsweg für die Samen der Sumpf-Engelwurz weggefallen.

Je kleiner die Bestände der Sumpf-Engelwurz sind, desto stärker ist deren genetische Verarmung, was zu Fitnesseinbußen (verminderte Anpassungsfähigkeit, eingeschränkte Samenbildung etc.) führt. Für die ostdeutschen Bestände der Sumpf-Engelwurz konnte nachgewiesen werden, dass der Fruchtansatz umso geringer ist, je kleiner die Bestände sind (Dittbrenner et al. 2005). Daher spielen nicht nur geeignete Umweltbedingungen für das langfristige Überleben der Bestände eine Rolle, sondern auch die Anzahl der Pflanzen je Bestand.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die Sumpf-Engelwurz hat ein begrenztes räumliches Ausbreitungsvermögen und kann daher keine größeren Strecken zwischen vorhandenen Beständen überbrücken. Dies bedeutet: jede Trennung der Lebensräume durch einen Nicht-Lebensraum (z.B. Wald), führt zur Unterteilung in lokale Populationen.

Gefährdung

Die Sumpf-Engelwurz ist sowohl durch Änderungen in der Nutzung ihrer Wuchsorte gefährdet, als auch durch Veränderungen der Wasserverhältnisse der Standorte.

Land- und Forstwirtschaft

Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen können sich nachhaltig auf Vorkommen der Sumpf-Engelwurz auswirken:

  • Einstellung der traditionellen Nutzung von Feuchtwiesen (meist Mahd)
  • Intensivierung der Nutzung:
    • Meliorationen, die die Wasserverhältnisse verändern
    • Düngung, Umbruch von Grünland in Ackerland
    • Aufforstungen oder andere Bepflanzungen
  • Verlegung des Mahdzeitpunktes:
    • zu früh: Schnitt vor Samenreife
    • zu spät: Gefahr, dass Schilf auf den Feuchtwiesen dominant wird
  • Zu tiefe Pflegeschnitte, ungeeignetes Gerät bei nassen Böden (Bodenverdichtung)
  • Nährstoffeinträge aus angrenzenden, intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen erhöhen den Konkurrenzdruck durch andere Pflanzenarten

Sonstige

  • Veränderungen des Wasserhaushaltes der Standorte durch Meliorationen oder Grundwasserabsenkungen
  • Aufkommen von Neophyten (z.B. Kanadische Goldrute) können die Sumpf-Engelwurz verdrängen
  • Konflikt mit Vogelschutz: während für die Sumpf-Engelwurz eine (zusätzliche) frühe Mahd zur Aushagerung und Verringerung des Konkurrenzdrucks nötig wäre, ist aus ornithologischer Sicht eine Mahd frühestens im Juli möglich
  • Fitnessverlust (verringerter Samenansatz) aufgrund fehlenden genetischen Austauschs besonders bei kleinen Populationen wurde nachgewiesen (Dittbrenner et al. 2005)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Sumpf-Engelwurz

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen der Sumpf-Engelwurz gehen vor allem von Änderungen der traditionellen Nutzung und der Wasserverhältnisse aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Erhaltung günstiger Wasserverhältnisse bzw. deren Wiederherstellung
  • Extensive Nutzung durch Mahd ist empfehlenswert:
    • Wüchsige Standorte: zwei Schnitte (früh und spät)
    • Weniger wüchsige Standorte: ein Schnitt, am besten in einem Rotationssystem mit wechselnden Zeitpunkten (aber keinesfalls immer nur späte Mahd!)
  • Mögliche Mahdzeitpunkte:
    • Früh: bei entsprechenden Bodenverhältnissen Ende Mai/Anfang-Mitte Juni vor Blütenstandbildung
    • Spät: Ende September nach der Samenausstreu
  • Bei früher Erstmahd ist i.d.R auf Verwendung angepasster Technik (Spezialfahrzeuge) wegen Feuchtigkeit sowie geeignete Schnitthöhe zur Schonung von Blattrosetten zu achten

Mahd angrenzender Flächen zur Erweiterung der besiedelbaren Fläche

  • Extensive Rinderbeweidung könnte unter Umständen die späte Mahd ersetzen (historisch fand zumindest eine sporadische [Nach-]Beweidung statt)
  • Mulchen ist zur Pflege ungeeignet (aufgrund fehlender Aushagerung der Standorte und Verringerung von Keimnischen durch Mulchgut)

Allgemein gilt für bewirtschaftete Flächen

  • Ausschlaggebend für die Sumpf-Engelwurz ist die Erhaltung der bestehenden Wasserverhältnisse an den Standorten. Aber auch die Nutzung der Flächen muss in geeigneter Weise (siehe Handlungsempfehlungen oben) fortgeführt werden, um den Konkurrenzdruck auf die Sumpf-Engelwurz gering zu halten und Keimungsnischen zu bieten

Sonstige Maßnahmen

  • Verbesserung des Wasserhaushaltes ehemaliger Wuchsorte über Anhebung des Grund- und Oberflächenwasserpegels zur Schaffung optimaler Bedingungen für eine Wiederbesiedlung
  • Aufgrund der (vermutlich) kurzlebigen Samenbank der Sumpf-Engelwurz könnte eine Ausbreitung durch Heublumensaat auf ehemaligen Fundorten durchgeführt werden um Wiederbesiedlung zu fördern
  • Anlage von Erhaltungskulturen noch bestehender Populationen in Botanischen Gärten für lokale Wiederansiedlungen (bereits vorhanden im Botanischen Garten Halle und im Schutzgarten an der Kapenmühle im Biosphären-Reservat „Mittlere Elbe“)
  • Dünge-Verbot in der nahen Umgebung, große Pufferzonen ohne intensive landwirtschaftliche Nutzung im Grundwassereinzugsgebiet

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Projekte im Internet

  • EU-Life-Projekt "Binnensalzstellen Brandenburgs".
  • Eigenprojekt der Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg: Renaturierung des Quellmoores Beesenberg.
  • Steckbriefe der in Mecklenburg-Vorpommern vorkommenden Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie.
  • Artensteckbrief vom Bundesamt für Naturschutz für die Sumpf-Engelwurz.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Frank Zimmermann
Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Ref. Ö2
Seeburger Chaussee 2
14476 Potsdam

Dr. Heiko Korsch
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Institut für Spezielle Botanik
Herbarium Hausknecht
Fürstengraben 1
07743 Jena

Autoren

Juliane Drobnik, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Christina Meindl, Burkhard Beinlich, Matthias Dolek

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