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Bundesamt für Naturschutz

Alytes obstetricans - Geburtshelferkröte

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1191
Artengruppierung
Amphibien
Synonyme
Fesslerkröte, Glockenfrosch, Läutefrosch, Klinkerkröte, Steinklinke, Steinkrötle, Möhnli, Steinunke, Aschgraue Kröte, Eiertragende Kröte
Status Rote Liste Deutschland
Rote-Liste-Gremium Amphibien und Reptilien (2020): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Temple & Cox 2009): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Fürsorgliche Väter mit glockenheller Stimme

Die Geburtshelferkröte weist unter den heimischen Froschlurchen die einzigartige Besonderheit auf, sich an Land zu paaren und die Eier nicht im Wasser abzulegen, sondern eine echte Brutfürsorge zu betreiben. Das Männchen wickelt sich die vom Weibchen abgegebenen Laichschnüre um die Hinterbeine und trägt so die Kinderschar bis zum Zeitpunkt des Schlupfes mit sich umher.
Noch eine andere Besonderheit weist die Kröte auf: Vor allem in den Abend- und Nachtstunden erklingt während der Paarungszeit ihr heller und an den Klang eines Glasglöckchens erinnernder Ruf. Nicht nur Männchen, sondern auch Weibchen lassen ihn erklingen. Von Weitem erinnern die Töne einer Gruppe rufender Kröten an ein Glockengeläut, was dem Tier auch den Namen „Glockenfrosch“ gegeben hat.
Der natürliche Lebensraum waren die unverbauten Fluss- und Bachauen der Mittelgebirge. Heute lebt die Kröte in sonnigen, warmen und weitgehend bewuchslosen Lebensräumen wie z.B. Abgrabungen oder Bahndämme, aber auch in Gärten und im Weideland und hat wenig spezifische Ansprüche an ihre Larvalgewässer.

Merkmale der Geburtshelferkröte

Das Unterscheidungsmerkmal zu jungen Erdkröten sind die senkrecht schlitzförmigen Pupillen.

Lebensraum

Die Geburtshelferkröte besiedelt bevorzugt offene oder kaum bewachsene Bereiche in sonnig-warmer Lage und direkter Nachbarschaft zu den Larvengewässern. Wichtig ist weiterhin ein gutes Angebot an bodenfeuchten Versteckmöglichkeiten in Form von Klüften, Spalten oder Gängen im Gestein oder grabfähigem Boden.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Als Landlebensräume bevorzugt die Geburtshelferkröte sonnig-warme, offene, wenig bewachsene Gebiete, die bodenfeuchte Versteckmöglichkeiten im Untergrund (lockeres Gestein, Sand, Humus oder Lehm) aufweisen. 

Ursprünglich war die Geburtshelferkröte v.a. in Auen mit ihren Überschwemmungsflächen und Tümpeln verbreitet. Diese natürlichen Lebensräume sind weitgehend verloren gegangen. Heute finden sich die Hauptvorkommen in durch Menschen geschaffenen Ersatzlebensräumen wie Abgrabungsflächen (Steinbrüche, Ton- und Kiesgruben o.ä.), militärischen Übungsplätzen, Bahndämmen, Halden, Industriebrachen, Gärten oder Friedhöfen. In der Agrarlandschaft nutzt sie vorwiegend großflächige und nur mit geringer Viehdichte beweidete Flächen ohne Düngung und Spritzmitteleinsatz. In Siedlungsgebieten findet man die Geburtshelferkröte (früher durchaus häufig) in besonnten, fugenreichen Mauern, auf Terrassen, in Steinhaufen oder Holzstapeln. Aber auch gut besonnte Waldränder, Böschungen und Geröllhalden werden besiedelt. Im Winter werden zum Teil auch Keller aufgesucht.

Bei der Wahl der Larvalgewässer ist die Geburtshelferkröte wenig anspruchsvoll. Sie nutzt eine breite Palette sonniger bis halbschattiger Gewässer unterschiedlichster Größe und Wasserführung. Das Spektrum reicht von nur zeitweilig wasserführenden Kleinstgewässern wie Wagenspuren über kleine Tümpel, Teiche bis zu größeren Stillgewässern. Waldteiche, Auengewässer oder auch Staustellen in Fließgewässern werden genutzt, ebenso wie verschiedene Nutzweiher (z.B. Feuerlöschteiche). Lediglich rasch fließende und sehr saure Gewässer werden gemieden. Ebenso verhindern größere Fischdichten eine Besiedlung. Die Geburtshelferkröte wird nach etwa 2-3 Jahren geschlechtsreif und kann wahrscheinlich ein Alter von 8 Jahren und mehr erreichen (Günther & Scheidt 1996).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Fortpflanzungszeit der Geburtshelferkröte erstreckt sich von März bis August, teilweise bis September. Die Tiere sind vorwiegend nacht- und dämmerungsaktiv. Tagsüber halten sie sich unter Geröll, in Erdhöhlen, Holzstapeln oder Steinhaufen auf. Insbesondere an feuchtwarmen Abenden ertönen die Rufe, die sich von Weitem wie Glockengeläut anhören („Glockenfrosch“).

Nach der Paarung, die an Land stattfindet, wickelt sich das Männchen die Laichschnüre des Weibchens um die Hinterbeine. Je nach Temperatur tragen die Männchen die Eier 15-50 Tage und benetzen sie, wenn nötig, regelmäßig mit Wasser. Erst unmittelbar vor dem Schlupf wird ein geeignetes Gewässer aufgesucht und der Laich abgegeben. In der Folge beginnt das Männchen wieder zu rufen und kann sich während der Saison in der Regel noch weitere Male verpaaren. 

Durch diese Art der Brutfürsorge werden gegenüber den im Wasser ablaichenden Amphibien sehr hohe Schlupfraten erzielt, da die Verluste durch Fressfeinde gering gehalten werden. Zudem sind die Larven größer und weiter entwickelt als die anderer Arten, so dass generell eine höhere Überlebenschance besteht.

Abhängig von den Witterungsbedingungen, dem Schlupfzeitpunkt und Nahrungsangebot wandeln sich die Larven innerhalb von 9-12 Wochen zur Jungkröte um. Spät geschlüpfte Larven oder Larven in kühlen Larvalgewässern überwintern im Gewässer und wandeln sich erst im folgenden Jahr um. Sie erreichen dann Gesamtlängen von 60-80, selten auch 90 mm. 

Die Alttiere und Jungkröten überwintern an Land. 

Da die Geburtshelferkröte nacht- und dämmerungsaktiv ist und ihre Tagesverstecke überwiegend in den nicht landwirtschaftlich genutzten Bereichen der Landschaft sucht, wird sie durch Landnutzungsaktivitäten kaum beeinträchtigt. Das Gleiche gilt für die Landlebensräume in großflächigen Viehweiden. Da die Tiere in der Regel dreimal im Jahr Eier ablegen, wandern sie im Zeitraum von Mitte/Ende April bis Ende August dreimal von ihren Landlebensräumen zu den Larvengewässern. Dabei können sie landwirtschaftliche Nutzflächen passieren. Hier kann es zu Beeinträchtigungen der Tiere durch mineralische Dünger kommen.

In den Wohnhöhlen und Winterquartieren sind die Tiere ganzjährig durch das Befahren mit schweren Maschinen gefährdet.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Insgesamt gilt die Geburtshelferkröte als nicht besonders wanderfreudig – insbesondere die Alttiere bleiben an den angestammten Plätzen. Da die Art überwiegend verinselt vorkommt, sind Rufergruppen leicht abgrenzbar. Diese halten sich zumeist im nahen Umfeld der Larvalgewässer auf (ca. bis 150 m um den Laichplatz, maximal 2 km). In Abgrabungen existieren u.U. viele Laichplätze und ausgedehnte Rufer-Kolonien. Hier sind oft große bis sehr große Populationen (> 100, bis mehrere hundert ausgewachsene Tiere) anzutreffen. 

Trotz ihrer Ortstreue ist die Art in der Lage, auch innerhalb kurzer Zeiträume, neue Lebensräume zu besiedeln – sofern sie nicht weiter als 1,5 km entfernt liegen (Ryser et al. 2003). Ausnahmsweise werden auch Distanzen von bis zu 2,5-3 km überwunden. Die Ausbreitungsfähigkeit dürfte aber von der Beschaffenheit des Umfeldes und der Größe der Vorkommen beeinflusst werden: Laan & Verboom (1990) stellten z.B. für die südlichen Niederlande fest, dass die Geburtshelferkröte dort neu geschaffene Gewässer nur im Umkreis von 500 m besiedelte. 

Nach Schmidt (2006) gelten Entfernungen zwischen Vorkommen von 1.000-2.500m noch als gute Vernetzung. Anderen Experten zufolge ist auf jeden Fall von einer schlechten Vernetzung und somit von getrennten lokalen Populationen auszugehen, wenn der Lebensraum eines intakten Vorkommens mehr als 1.500 m vom nächsten Vorkommen entfernt liegt. Bei kleinen Vorkommen (< 10 Rufer) sind die Vorkommen, die weiter als 500 m voneinander entfernt sind, nach Expertenmeinung als schlecht vernetzt einzustufen.

Gefährdung

Gefährdungsursachen

Die Geburtshelferkröte ist hauptsächlich durch Lebensraumverluste, Veränderungen im Bereich der Laichgewässer und Verinselung der Einzelvorkommen gefährdet.

Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen der Land-, Forst- und Teichwirtschaft können sich nachhaltig auf Vorkommen der Geburtshelferkröte auswirken:

  • Beseitigung der Gewässer
  • Fischbesatz in bisher ungenutzten Gewässern
  • Verlanden der Gewässer durch erhöhte Nährstoffeinträge und aufkommendes Röhricht bzw. Gehölze
  • Intensivierung der fischereilichen Nutzung der Gewässer z.B. durch erhöhten Besatz oder Umstellung der Haltung von Fried- auf Raubfische
  • Aufgabe der Landnutzung und Verbuschung/Wiederbewaldung der Landlebensräume
  • Verlust von wichtigen Lebensraumelementen: Lesesteinhaufen, Trockenmauern, Wegböschungen, Rohbodenstandorte, Kleingewässer, lichte und offene Bereiche im Wald
  • Umbruch von Grünland in Ackerland, Umwandlung von Weideland in Vielschnittwiesen
  • Aufforstungen sonnig warmer Hänge und Böschungen im direkten Umfeld von Kleingewässern
  • Kalkung im Wald. Dadurch ergibt sich eine zusätzliche Düngewirkung und der Aufwuchs von Stauden und Gehölzen wird an Wegeböschungen, Schonungen und Lichtungen beschleunigt

Sonstige

  • Zunehmende Verinselung der Vorkommen (durch forstlichen und landwirtschaftlichen Wegebau, Verlust kleiner Vorkommen insgesamt)
  • Zerstörung und Umnutzung von Dorf- und Hofteichen, Beseitigung von Lebensraumelementen (Aufräumen) in Dörfern und auf Höfen (Trockenmauern, Steinhaufen, Gerümpel)
  • Sanierung von Mauern (Verfugen der Ritzen)
  • Straßenbau, Ortserweiterungen, zunehmende Versiegelung im Bereich ländlicher Siedlungen
  • Verfüllung und Rekultivierung von Abgrabungen
  • Konzentration des Rohstoffabbaus auf wenige Stellen (Verlust von Kleinabgrabungen)
  • Zunahme der Abbaugeschwindigkeit, ungeeignete Abbauregimes in Abgrabungen, z.T. bewusste Beseitigung von Larvalgewässern
  • Unterhaltungsmaßnahmen an naturnahen Fließgewässern, die als Larvalgewässer genutzt werden bzw. genutzt werden könnten
  • Chytridiomykose 

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Geburtshelferkröte

Die größten nutzungsbedingten Beeinträchtigungen gehen bei der Geburtshelferkröte von der Land- und Forstwirtschaft aus. Um die Beeinträchtigungen durch die Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Großflächige Beweidung unter Nutzung von Weidegewässern bzw. nahezu ebenerdigen Tränken - keine Auskopplung der Gewässer
  • Zulassen von Uferabbrüchen und Laufverlagerungen an kleinen Fließgewässern im Bereich von Geburtshelferkröten-Vorkommen, damit geeignete Larvalgewässer entstehen können bzw. erhalten bleiben
  • Im Bereich von Geburtshelferkröten-Vorkommen und im Umfeld keine Umwandlung von Grünland in Ackerland, ggf. Umwandlung von Acker- in Grünland
  • Hofanlagen mit Bauerngärten, Obstgärten etc. zur Erhaltung und gezielten Anlage von Lebensräumen nutzen (Hof- und Feuerlöschteiche als Laichplätze, im Umfeld Trockenmauern, Lesesteinhaufen etc. als Versteckplätze)

Forstwirtschaft

  • Belassen wassergefüllter Fahrspuren auf Forstwegen
  • Waldweide unter Nutzung von Weidegewässern bzw. nahezu ebenerdigen Tränken
  • Belassen von Waldgewässern, auch existierende Staugewässer und Auflichtung an deren Rändern
  • Gezielte Freistellung und Öffnung von bekannten und potenziellen Lebensräumen 
  • Keine Entwässerung von Waldflächen im Bereich der Laichplätze
  • Keine Kalkung im Wald im Bereich der Vorkommen aufgrund der damit verbundenen Düngewirkung

Fischereiwirtschaft

  • Fischteichanlagen mit zusätzlichen 1-2 Teichen ohne Bewirtschaftung und ohne Fischbesatz ausstatten (im Haupt- oder Nebenschluss die oberen Gewässer). Um sie fischfrei zu halten, sollten sie in mehrjährigen Abständen (überwinternde Larven!) im Herbst oder Winter abgelassen werden. Im Umfeld der fischfreien Gewässer einer Teichanlage gezielte Förderung von steinigen Lebensräumen (z.B. Geröll-/Schotterhaufen) oder Anlage von Trockenmauern
  • Verringerung der Besatzdichte, Schaffung/Erhalt naturnaher Uferabschnitte mit reichem Röhricht- und Unterwasserbewuchs
  • Kein Fischbesatz (auch in langsam fließenden Gewässern) im Umfeld der Vorkommen
  • Gewässerdynamik im Bereich kleinerer Fließgewässer erhalten/fördern
  • Förderung von Stillgewässern und Belassen von natürlichen Staugewässer in Verbindung mit offenen, möglichst steinigen Lebensraumelementen

Sonstige Maßnahmen

  • In Feuerlöschteichen kein Fischbesatz, ggf. Beseitigung von Fischbesatz 
  • Förderung der Ausbreitung von Bibern als wichtige Art der Bachtäler in den Mittelgebirgen
  • Belassen von Biberstauen, Förderung der Akzeptanz der Biberansiedlung (positive Bestandsentwicklung für die Geburtshelferkröte durch Biberansiedlung)
  • Erhaltung bzw. Anlage von Gewässern in Abgrabungen und mehrjähriges Ruhenlassen einzelner Halden- und Hangabschnitte
  • Wenn Rekultivierung von Abgrabungsflächen, dann Verzicht auf Aufforstung und Erhalt der Offenlandlebensräume durch Beweidung mit geringen Besatzdichten
  • Offenhalten von besonnten Böschungen, Dämmen, Lesesteinhaufen sowie Neuanlage von Lesesteinhaufen als Landlebensraum
  • Anlage von Gewässern an dafür geeigneten Stellen in Nähe der (potenziellen) Landlebensräume

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Heiko Uthleb
Dorfstr. 29
06571 Langenroda

Martin Schlüpmann
Biologische Station Westliches Ruhrgebiet e.V.
Ripshorster Str. 306
46117 Oberhausen

Autoren

Benjamin T. Hill, Katharina Mautes, Burkhard Beinlich

Unter Mitarbeit von

Thomas Bobbe, Holger Buschmann, Christian Chmela, Martin Dieterich, Hauke Drews, Arno Geiger, Dieter Glandt, Andreas Kronshage, Alexander Kupfer, Hubert Laufer, Uwe Manzke, Martin Schlüpmann, Norbert Schneeweiß, Matthias Simon, Karola Gießelmann, Burkhard Thiesmeier, Heiko Uthleb

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