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Bundesamt für Naturschutz

Biotechnologie und Gentechnik

Gene sind die zentralen Bausteine der Vererbung in der Natur. Werden sie in der Biotechnologie und Gentechnik aktiv verändert, hat dies direkten Einfluss auf die Eigenschaften der Organismen und damit auch auf deren Umwelt. Mögliche Risiken werden im Gentechnikvollzug bewertet.

Werden gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der EU für eine experimentelle Freisetzung oder eine Marktzulassung (Inverkehrbringen) zugelassen, so wird in einer Risikoprüfung zuvor untersucht, ob dies mit negativen Auswirkungen für die menschliche Gesundheit, die Natur oder die Umwelt verbunden sein kann. Dabei ist das Vorsorgeprinzip zu berücksichtigen.

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HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN

Neue Gentechniken und die Synthetische Biologie entwickeln sich dynamisch und beständig weiter. Die Erforschung von Risiken und der Methoden zu ihrer Bewertung hält hier kaum Schritt. Auswirkungen auf und Schutz von Biodiversität sind indes zentral für die UN Biodiversitätskonvention (CBD), ein Anliegen im Koalitionsvertrag und Grundlage für den Gentechnikvollzug. Sie stehen auch bei Erforschung und Anwendung Neuer Gentechniken und der Synthetischen Biologie im Mittelpunkt.

Die Forschung des BfN umfasst fünf Bereiche:

  1. Horizon Scanning: Analyse der aktuellen Entwicklungen im Bereich der Neuen Gentechniken und Synthetischen Biologie, um als Vollzugsbehörde auf neue Entwicklungen vorbereitet zu sein. Dazu gehören gentechnisch veränderte Organismen (GVO) z.B. GV Viren, GV Tiere (z. B. GV Fische) und GV Pflanzen oder bestimmte Techniken wie RNAi (Technik zur Gen-Stilllegung in Pflanzen oder Tieren)
  2. Risikobewertung: Die Weiterentwicklung von Konzepten und Methoden der Umweltrisikobewertung, des Monitorings, z. B. im Bereich Gene Drives und des Nachweises bzw. der Nachverfolgbarkeit von Neuen Gentechniken und Synthetischer Biologie,
  3. Rechtliche Bewertung: Einordnung der Entwicklungen im Bereich Neue Gentechniken in Bezug auf die nationalen, europäischen und internationalen (z.B. Biodiversitätskonvention) Gesetze und Regulierungen.
  4. Technikfolgenabschätzung: Entwicklung von Methoden für eine breite Bewertung von GVO, die über die reine Umweltrisikobewertung hinausgeht.
  5. Wissensvermittlung: Bereitstellung der erarbeiteten Ergebnisse und Konzepte für die interessierte Öffentlichkeit

Nein. Zentral für die Regulierung ist nicht die Frage, ob bestimmte Neue Gentechniken (NGT) ähnlich zur Zucht sind, sondern ob mit der gentechnischen Veränderung potentiell Risiken verbunden sind. NGT haben ein großes Potential, Pflanzen zu verändern, und dies ist mit potentiellen Risiken verbunden. Im Vergleich mit konventioneller Züchtung wird deutlich, dass mit NGT Veränderungen zahlreicher und schneller vorgenommen werden können. Selbst ein präziser Eingriff mit NGT kann, ohne dass zusätzliche Gene eingefügt werden, die Eigenschaften von Organismen stark verändern. Durch NGT ist erstmalig das ganze Erbgut gleichermaßen und sehr schnell für gentechnische Veränderungen verfügbar. Dadurch können die neuen gentechnischen Verfahren eine wesentlich höhere Wirkmächtigkeit haben als herkömmliche Züchtungstechniken.

Nein. Nach Ansicht des BfN trifft die Aussage, dass NGT-basierte Pflanzen generell weniger Risiken bergen, nicht zu. Die Anwendung von NGT kann z. B. zu unbeabsichtigten genomischen Veränderungen führen. Auch geringfügige genetische Veränderungen können große Auswirkungen haben. Darüber hinaus sind mögliche Risiken zukünftiger Produkte und Pflanzeneigenschaften heute noch nicht absehbar und werden auch bei den heute verfügbaren Pflanzen erst im Anbau umfassend sichtbar werden. Wenn diese Techniken hintereinander immer wieder angewendet und damit die Funktionen mehrerer verschiedener Gene verändert werden („multiplexing“), hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Pflanze. Das Einfügen neuer Eigenschaften in eine Pflanze birgt immer das potenzielle Risiko, zu negativen Auswirkungen auf Ökosysteme und die biologische Vielfalt zu führen. Sollte es beispielsweise gelingen, eine trockenresistente Feldfrucht zu entwickeln, so könnte diese invasiv werden, weil sie auf einmal Habitate besiedeln könnte, in denen sie vorher nicht überleben konnte.

Auch mit geringfügigen Veränderungen des Genoms können große Veränderungen im Stoffwechsel einer Pflanze hervorgerufen werden. Ein wichtiges Beispiel ist aus der Medizin bekannt. So wird die Sichelzellenanämie durch eine einzige Punktmutation ausgelöst. Auch die Entwicklung von Pflanzen, deren Toleranz gegenüber abiotischen Faktoren (d. h. z. B. gegen Trockenheit) erhöht werden soll, zeigt, dass geringfügige Veränderungen im Genom sich massiv auswirken können. Da die vielen komplexen Antworten der Pflanze auf Trockenstress bis heute im Detail unbekannt sind oder nicht gut konzertiert werden können, werden häufig Gene für sogenannte Transkriptionsfaktoren oder Hormonrezeptoren verändert. Es handelt sich dabei um übergeordnete Knotenpunkte von Stoffwechselwegen. Werden diese Stellschrauben geringfügig modifiziert, können damit viele nachfolgende Prozesse verändert werden, ohne dass die entsprechenden Gene modifiziert werden müssen.

Für Pflanzen mit verändertem Umweltverhalten besteht die Möglichkeit, dass sie sich durch eine höhere Fitness leichter verbreiten und andere Arten verdrängen. Es könnten auch gezielt Areale für die Landwirtschaft neu erschlossen werden, die bisher hierfür nicht zugänglich waren, und damit regionale an extreme Wetterbedingungen angepasste Ökosysteme geschädigt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Schädigung von Insekten und anderen Tieren durch Wirkstoffe, die von insektizid wirkenden GV-Pflanzen produziert werden. Solche Substanzen werden v. a. durch neu eingefügte artfremde Gene exprimiert (Transgenese), eine Übertragung aus verwandten Pflanzen ist aber nicht grundsätzlich auszuschließen (Cisgenese).  Auch mit NGT werden wie bei klassischen GVO Herbizid-Resistenzen vermittelt. Die „farm scale evaluations“ in Großbritannien haben bereits 2003 gezeigt, dass der Anbau herbizidresistenter Pflanzen negative Auswirkungen auf die Diversität von Ackerwildkräutern und Arthropoden hat. Eine Studie aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung von Pestiziden beim Anbau pestizidresistenter Pflanzen nicht weniger geworden ist. Im Gegenteil werden häufig mehr Pestizide eingesetzt. Für NGT-basierte Pflanzen fehlt oft die Erfahrung, um tatsächliche Auswirkungen einschätzen zu können. Diese können auch indirekt sein, z. B. durch eine weitere Intensivierung der Anbausysteme, oder fallspezifisch je nach Pflanzensorte variieren. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass solche Pflanzen mit entsprechenden Folgen für die Umwelt mehr Dünger, Pestizide oder Wasser benötigen.

Nein. NGT-Pflanzen lassen sich nicht generell nach ihrem Risiko kategorisieren. Einerseits könnten die angewandten Methoden unbeabsichtigte Veränderungen hervorrufen und andererseits korrelieren Menge und Art der DNA-Veränderung nicht mit dem Phänotyp. Beispielsweise kann ein Gen aus einer verwandten Art in dem neuen genetischen Kontext andere Eigenschaften entwickeln. Auch die Art und der Umfang der Veränderung sind nicht geeignete Kategorien um per se von einem geringen Risiko auszugehen. Eine fallspezifischen Risikobewertung ist deshalb notwendig; d.h. potenzielle Risiken in der Pflanze und für Ökosysteme, Biodiversität und die menschliche Gesundheit werden untersucht. 

Nein. Das BfN hat dies rechtlich prüfen lassen und kommt zu dem Ergebnis, dass es keine ausreichende Kontrolle Neuer Gentechniken außerhalb des Gentechnikrechts gibt. Prof. Tade M. Spranger von der Universität Bonn hat erstmals systematisch geprüft, ob und inwieweit andere Regelungsregime neben dem Gentechnikrecht dazu geeignet sind, mögliche Umweltrisiken der durch Neue Techniken entstandenen Organismen zu kontrollieren. Der Verfasser analysiert unter anderem das Saatgutrecht, das europäische Lebens- und Futtermittelrecht sowie das Pflanzenschutzmittel- und Sortenschutzrecht und zeigt dabei eklatante Regelungslücken auf. Denn weder einzeln noch in der Gesamtschau sind die untersuchten Rechtsgebiete in der Lage, eine dem Gentechnikrecht vergleichbare Kontrolle möglicher Umweltauswirkungen aufzufangen und es würde zudem zu einer Zersplitterung der Zuständigkeiten führen.

Gutachten: Keine ausreichende Kontrolle Neuer Techniken außerhalb des Gentechnikrechts

Nein. Die aktuelle Regulierung ist hinreichend flexibel. Bereits jetzt sind die Prüfanforderungen je nach Einzelfall unterschiedlich. Gleichzeitig ermöglicht die aktuelle Einzelfallprüfung, die effektive Implementierung des Vorsorgeprinzips, und kann so der Dynamik der aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen Stand halten.

Nachhaltigkeit ist ein ganzheitlicher Ansatz, der nur im Gesamtsystem festgemacht werden kann: Um die Nachhaltigkeit von NGT-Pflanzen beurteilen zu können, müssen die Pflanzen, ihr Anbausystem, die Auswirkungen auf Bodengesundheit, Wasserhaushalt und angrenzende Ökosysteme, die Verfügbarkeit von Saatgut für Landwirte und die Konsequenzen auf die ökologische Landwirtschaft und verwandte Branchen betrachtet werden. Dabei sind resiliente Agrarsysteme mit Förderung naturverträglicher Landwirtschaft wesentlich für den Schutz der Biodiversität in Agrarlandschaften und natürlichen Klimaschutz. Es geht beispielsweise um die Diversität von Sorten und Kulturen, um die Stärkung der Wasserhaltekapazität und der Bodenfruchtbarkeit und die Schaffung eines strukturreichen Ackerlandes mit seiner Vielfalt an typischen Arten und Lebensräumen auf und neben dem Feld. Die EU-Kommission zieht für eine Neuregulierung die Bewertung von positiven Nachhaltigkeitskriterien im Zulassungsprozess in Erwägung. Ein Vorschlag liegt nicht vor, eine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit bezogen auf die Lebensmittelproduktion gibt es bislang nicht.  

Umfragen in der Naturbewusstseinsstudie des BfN zeigen regelmäßig, dass Verbraucher*innen eine Kennzeichnung auch von solchen Produkten fordern, die aus NGT-basierten Pflanzen hervorgegangen sind. Wesentliches Instrument für die Wahlfreiheit ist die Kennzeichnung als Gentechnik. Insbesondere für den Nachweis von NGT-basierten Pflanzen mit nur geringfügigen genetischen Modifikationen bestehen allerdings große Herausforderungen, verlässliche Analysemethoden zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass wir die gentechnische Veränderung kennen. Daher ist es notwendig, internationale Datenbanken zur Erfassung NGT-basierter Organismen auf- und auszubauen. Der Lebensmittelhandel zeigt uns bereits vielfach, wie dieses Problem auch auf anderer Ebene angegangen werden kann: Die Herkunft von Saatgut und Produkten kann grundsätzlich durch Rückverfolgung der Lieferketten gewährleistet werden und eine entsprechende Kennzeichnung erfolgen. Auf diese Art sichert auch der Ökolandbau, dass nur als Öko („organic“) gekennzeichnet wird, was auch so produziert wird. Das BfN hat aktuell ein Forschungsprojekt, das Konzepte für die Rückverfolgung über Lieferketten entwickeln soll.

Die Nichtmessbarkeit eines Regulierungsgegenstands ist generell und speziell für GVO kein Hinderungsgrund für eine Regulierung. Der technische Nachweis auch kleinster DNA-Veränderungen (durch Genomeditierung) ist möglich. Die Identifikation des GVO muss dann über zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel die angrenzenden Sequenzen (z. B. wiss. Literatur, Patente, Herstellerangaben) erfolgen. Auch beim Nachweis von transgenen GVO ist für den Nachweis i. d. R. ein Wissen über den GVO notwendig. Das BfN setzt sich dafür ein, Daten über alle GVO in einem zentralen Register zu sammeln.

Das Szenario, gefährdete Arten mithilfe gentechnischer Eingriffe zu retten, ist spekulativ. Es überbewertet das Potential der Synthetischen Biologie für den Artenschutz. Zudem ist unklar ob eine gentechnisch veränderte geschützte Art noch als geschützte Art anzusehen ist und ob es dann eine Umwelt gibt, in der diese überleben könnten. Einzelszenarien müssten ggf. geprüft werden. Artenschutz ist langfristig nur auf ökosystemarer Ebene möglich (dynamischer Artenschutz).

BfN Positionspapier: Gentechnik, Naturschutz und biologische Vielfalt: Grenzen der Gestaltung

 Menschliche Einflüsse sind kein Grund, die natürliche Eigenart der Natur nicht mehr zu schützen. Wir schützen Natur in Städten und Kulturlandschaften ebenso wie in der Wildnis. Aufgrund der Dringlichkeit, dem Biodiversitätsverlust entgegenzutreten, müssen geeignete wirksame Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, v. a. Ursachenbekämpfung durch weniger intensive Nutzung und Belastung der Natur. Die Wirksamkeit gentechnischer Maßnahmen hingegen ist spekulativ. Gleichzeitig sind die Ansätze aufgrund der Risiken für den Naturschutz ungeeignet. Nur weil der Biodiversitätsverlust dringlich ist, ist die gentechnische Veränderung wild lebender Pflanzen und Tiere noch kein gutes Mittel dagegen. Es wäre nicht effizient, Ressourcen für diese spekulative Mittel einzusetzen. 

BfN Positionspapier: Gentechnik, Naturschutz und biologische Vielfalt: Grenzen der Gestaltung

Auswirkungen wären nicht absehbar. Mit NGT können zwar Veränderungen auf molekularer Ebene vergleichsweise präzise vorgenommen werden, aber daraus lässt sich aufgrund der Komplexität biologischer Wechselwirkungen nicht vorhersagen, welche Auswirkungen auf Ebene eines Gesamtgenoms, Organismus oder Ökosystems zu erwarten sind. Es ist kaum möglich, experimentelle, zeitlich und räumlich begrenzte Untersuchungen von Umweltwirkungen wild lebender GVO im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip durchzuführen: Wenn ein Schaden gefunden würde, wäre er schon irreversibel, die wild lebenden GVO wären nicht rückholbar. Es ist daher auch fraglich, ob naturschutzrechtliche Vorgaben im gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren adäquat berücksichtigt werden können.

BfN Positionspapier: Gentechnik, Naturschutz und biologische Vielfalt: Grenzen der Gestaltung

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